Lieber Karl,
vorab ein Gedanke zu Qualitäten eines nicht anthropomorph gedachten Gottes:
Er – Sie-Es, als das ein Innen konstituierende, indem „Alles“ Umgreifende kann als das
„große Innen“ gedacht werden.
Dann zu Deinem interessanten Hinweis auf causal set-Theorie und meinen laienhaften
Gedanken dazu:
die Diskretisierung zu partially ordered sets in der „causal set“-Theorie ist schon mal
ein wichtiger Schritt. Dadurch aber, dass sie den Zufall als Ausdruck und Folge der
entropischen Eigenmächtigkeit der Zeit ausschließt und nur das berücksichtigt, was in
einem logischen Kausalitäts-Binnenkontinuum geschieht, ist ihr unbedingtes
Homogenitäts-Konzept nicht realistisch. Tatsächlich muss Homogenität erstellt werden, und
ob das gelingt bzw. absichtslos geschieht ist an Bedingungen, u. a. den Zufall des
Aufeinandertreffens und Gerade-Zusammenseins, des Zueinander Passens, des „Einander
Verstehens“, des gelingenden wechselseitigen Sich-Anpassens (siehe complex adaptive
systems theory) geknüpft.
Meine „Elemente“ sind aber nicht Zeichen und nicht Information, sondern jeweilige
Informationsverarbeitungen. Sie leben eine Perspektive und können „denken“, sie sind
selbst tätig, semi-autonom, sie nehmen wahr, deuten, ordnen ein. Sie sind dem Zufall
ausgesetzt, und – aus zwei- oder mehrgliedriger Interaktion bestehend – in diesem
Ausgesetztsein auch von Diskontinuität alias zeitlicher Endlichkeit bedroht.
Die Elemente in der finite set theory dagegen sind, wenn ich es richtig begriffen habe
inaktive, statische Zeichen ohne Eigenleben über ihr Leben als zeitloses So-Sein hinaus.
Die Zeit als Zukunft und Vergangenheit wird mit logischer Sequenz (Zukunft: auf A folgt
logisch B, Vergangenheit: dem B ging logisch A voraus) gleichgesetzt, damit fällt das
augenblickliche, auch zufallsabhängige Deuten und „Denken“ heraus, und eine grundsätzliche
Kontinuität des logisch gedachten Zeitraums wird einfach stillschweigend vorausgesetzt.
Die in jedem Eigenen schlummernde Eigenmacht der Zeit und seines Zeit3ens, im Sinn des
realen Veränderns von Veränderungen, z. B. der Unterbrechung logisch ununterbrochen
gedachter Folgen, oder des Knüpfens neuer Verbindungen und des Eröffnens neuer Wege der
Weiterentwicklung wird hier ausgeblendet. Obwohl der Ansatz genau das Gegenteil anstrebt,
wird Zeit darin nicht diskretisiert, sondern als voraussetzungsloses Kontinuum gedacht.
Und noch eine kulturkritische Überlegung, die sich nicht auf dieses Forum, das eine
rühmliche Ausnahme darstellt bezieht, sondern einen für mich erkennbaren allgemeinen Trend
darstellt: in diesem allgemeinen Trend gilt sich in abstrakte Höhen zu schwingen und sich
in solchen Welten zu bewegen als moralisch zulässig und begründet, wenn diese
Abstraktionen ausgehend von der streng und vieles ausschließend vorstrukturierten Basis
der Mathematik und Physik erfolgen. Sie sind sozusagen von vornherein wohlriechend, so
schräg sie auch sein mögen. Erfolgen sie aber von einer nicht-mathematischen und
nicht-physikalischen Basis, gelten sie sofort und von vornherein als anrüchig, übel und
nach Schwefel riechend, bodenlos, nicht zu bedenken und keiner Bearbeitung würdig.
Last, not least: ich habe meine (geruchsmäßig noch nicht beurteilten) Abstraktionen jetzt
in einen kulturwissenschaftlich orientierten deutschsprachigen Empfängerkreis eingebracht,
mit der Begründung, meine Annahmen seien ungeprüft und bedürften der Kritik,
einschließlich Nichtbefassung als Ausdruck von Desinteresse oder Unverständnis. Ich kann
gerne abschnittsweise Textteile bereitstellen (Begrenzung Zeichenmenge).
Viele Grüße und Danke für die wertvolle Möglichkeit, hier zu „spinnen“,
Thomas
Am 03.05.2025 um 02:35 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
...
Da ging es kürzlich hier auch um „Wirbel“. Für meine Begriffe ein Bild, das für die
Prozesshaftigkeit allen Lebens steht. Diesbezüglich bieten die sog. „Causal Sets“
(Dowker/Sorkin/tHooft/Myrheim/Bombelli, Lee, et.al.) als Raumzeit-Prozesse, mittels derer
lokal endliche Halbordnungsrelationen miteinander verbunden werden, ein anschauliches
Modell für interagierende Kausalitätsbeziehungen (Wirbel).
Das entspricht einer Kombination von Diskretheit und Kausalität zu einer Substanz. Die
Raumzeit wird dabei durch eine Ansammlung diskreter „Elemente“ ersetzt, die durch
Relationen zueinander zu einer „partiell geordneten Menge“ (kurz: Poset) organisiert sind.
Dabei bleibt keines der Kontinuumsattribute der Raumzeit (Metrik, Topologie als
differenzierbare Struktur) erhalten, sondern sie emergieren konzeptionell näherungsweise
auf der makroskopischen Ebene.
Womöglich liege ich falsch mit dieser meiner Interpretation von „Wirbeln“ und bitte dann
Thomas um Korrektur.
KJ
transmitted from iPad-Client
_______________________________________________
PhilWeb Mailingliste -- philweb(a)lists.philo.at
Zur Abmeldung von dieser Mailingliste senden Sie eine Nachricht an
philweb-leave(a)lists.philo.at