Könnte es sich bei Werturteilen nicht um etwas zumindest teilweise Ursprüngliches handeln?
Und muss die Frage "warum eigentlich?" nicht irgendwann fehl am Platz sein, wenn
es überhaupt möglich sein soll, etwas zu verurteilen oder wertzuschätzen? Ohne letzte
Instanz gibt es kein rechtskräftiges Urteil, sondern eine unendliche Folge von Berufungen
und der Fall bleibt ein schwebendes Verfahren.
Andererseits ist die Frage ja sehr berechtigt. Man kann uns ja viel erzählen und uns
manipulieren und an der Nase herumführen. Und die letzte Instanz kann natürlich keine
Person oder Partei sein, die nicht kritisiert werden darf.
Meine Vermutung geht dahin, daß der Sinn für gut und böse angeboren sein muss, wenn
Werturteile überhaupt möglich sein sollen. Natürlich könnten auch eine Maschine auf
entsprechender Datenbasis äußerlich ähnlich entscheiden, aber wären das Werturteile, wenn
dazu so etwas wie ein Bekenntnis oder Empörung gehört? Das ist vielleicht ein bisschen
mehr als eine Vermutung.
Im konkreten Fall kann man sich natürlich immer irren, wobei ein Irrtum auf der Seite der
Wertung, nicht der Tatsachen, bedeuten würde, daß man sich im Nachhinein sagt: heute sehe
ich das anders, wie konnte ich nur! Und das wird man möglicherweise auch in Zukunft
rückblickend sagen.
Bei aller Unsicherheit werdenden die meisten Fälle von den meisten Menschen andererseits
aber doch vermutlich einigermaßen ähnlich beurteilt, weshalb bei Manipulationen meist ein
bisschen auf der Tatsachenseite nachgearbeitet wird.
Das ist ein bisschen aus der Hüfte geschossen, bin gerade etwas knapp mit der Zeit.
Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 20.01.18 12:31 (GMT+01:00) An: "K.
Janssen" <janssen.kja(a)online.de> Cc: philweb <Philweb(a)lists.philo.at>
Betreff: [Philweb] Begründung und Rechtfertigung von Normen anhand anderer Normen
[Philweb]
Hallo!
Wir hatte das ja schon mal mit "Humes Gesetz". Verfolgt man den Ansatz
konsequent, so kann man keine Normen (aka "Werturteile") aus Fakten
ableiten.
Was konsequent bedeutet, dass man Normen aus anderen Norman ableiten muss.
Dabei kann man zwischen zwei Formen von Norman unterscheiden:
1. Dinge, die "gut als Mittel" (Frei nach G. E. Moore) sind. Als
Dinge, die nicht um ihrer selbst willen als erstrebenswert erachtet
werden, sondern Aufgrund einer beabsichtigten Konsequenz.
Ein klassisches Beispiel dafür wäre etwa Geld. Man erstrebt das Geld
ja nicht um seiner selbst Willen, sondern um damit in den Besitz
anderer Dinge zu kommen. Oder eben Tugenden. Diese werden zumeist (¹)
selbst nicht als Wert an sich betrachtet, sondern als Mittel zum
Zweck.
2. Dinge, die "an sich gut" sind.
Also Dinge, die um ihrer selbst willen erstrebenswert sind.
Man kann das durchaus gleichsetzen mit Kants Unterscheidung zwischen
hypothetischen und kategorischen Imperativen. Die hypothetischen
Imperative sind nur "Wenn-Dann-Regeln". Zum Beispiel, "Wenn du ein
ehrlicher Kaufmann sein willst, dann solltest du deine
Geschäftspartner nicht betrügen". In solchen Fällen könnte das
Gegenüber immer antworten, "aber warum sollte ich ein ehrlicher
Kaufmann sein wollen?". Die Antwort könnte dann auf zwei Wegen
ausfallen.
Entweder man argumentiert mit dem eigenen Nutzen (a) für die
betreffende Person, etwa das man mit ehrlichen Kaufleuten eher Handel
treiben will als mit Betrügern oder (b) man argumentiert auf Basis von
Normen. "Du sollst ein ehrlicher Kaufmann!" sein. Der Weg (a) ist seit
der Aufklärung vielfach gegangen und inzwischen gut befestigt worden,
aber er hat im Wesentlichen mit zwei Problemen zu kämpfen. Zum einen
ist es in vielen Situationen unplausibel, dass aus einem moralisch
unerwünschten Verhalten auch negative Konsequenzen folgen.
Zum anderen könnte ein sturres Individuum einfach auf seinen Vorteil
verzichten und lieber persönlichen Schaden in Kauf nehmen als sich
fremden Imperativen zu unterwerfen. Das kann völlig verschiedene, aber
nachvollziehbare Ursachen haben. Ein Beispiel wäre etwa ein
Jugendlicher, der den Aufstand gegen die Gesellschaft probt oder
jemand, der Hass empfindet und anderen etwas nicht gönnt.
Mit wird es hier zunächst um den Weg (b) gehen. Der traditionellere,
aber in seiner puristischen Konsequenz selten verfolgte Weg. Demnach
wird versucht, "bedingte Normen" des Typ 1 auf Basis von Normen des
Typ 2 zu begründen.
Nun ist es legitim, die folgende Frage zu stellen: "Welche Begründung
hat eigentlich Typ 2?"
Die meisten modernen Philosophen, die den Typ (b) folgen und scheint
auf dem Gebiet der Moralphilosophie tatsächlich die Mehrheit zu sein,
verweisen an dieser Stelle auf moralische Intiution. Das ist sowohl
bei Moores Methode der totalen Isolation der Fall als auch bei den
Kantisten (Rawls) heben letztendlich auf eine Art Intuition ab. Bei
Rawls ist es eher die Abstraktion, vom eigenen Standpunkt abzusehen
und stattdessen sozusagen eine "Gott-Perspektive" einzunehmen (eine
Denkfigur des Utilitarimus!), in der man dann das eigene Wohl nicht
mehr über das Wohl anderer Menschen stellen kann.
Allerdings frage ich mich in diesem Zusammenhang, ob das nicht fast
schon wieder unter (a) fällt. Denn die Güter oder erstrebten Dinge
könnte genausogut normativer wie "wirtschaftlicher" Art sein. Das
Problem, das ich sehe, ist nun: Der moralische Egoist kann ohne
Probleme eine Begründung dafür verlangen, warum ihn das, was er selbst
für gut und richtig hält, nicht viel wichtiger sein sollte das, was
andere Leute wollen.
Irgendwie bin ich da in Gedankenverwirrung... Kann mir jemand helfen?
P.S.:
Am 13. Januar 2018 um 01:04 schrieb <.@.de>:
PS: übrigens funktioniert unser Archiv wieder. hh hat
es repariert. Vielen Dank dafür!
Ich kann immer noch nicht durch das Archiv navigieren. Mir ist es
jetzt nicht besonders wichtig, dass man "Geschreibsel" der Nachwelt
erhalten bleibt oder so. Dafür würde ich halt andere Publikationswege
wählen. Für stille Mitleser ist es vielleicht ärgerlich.
P.P.S:
¹: Mir ist natürlich die Ausnahme der Stoiker und einiger moderner
Tugendethiker bekannt. Eine interessante Denkschule, mit der ich mich
zukünftig intensiver auseinandersetzen möchte.
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