Liebe philweb-Mitstreiter,
da ich demnächst einen Artikel zum Thema fertigstellen muss, bleibe ich beim Thema „Zeit“,
und erlaube mir, auch wenn die Diskussion jetzt andere Bahnen genommen hat, weiter darüber
nachzudenken und meine Gedanken in der Hoffnung auf weitere Anregungen und Kritik mit Euch
zu teilen.
Ich lese gerade die Biographie „Der doppelte Erich“ über den Kinderbuchautor Erich Kästner
in seiner Zeit im Nationalsozialismus. Seine Bücher wurden verbrannt, er schaute in Berlin
sogar dabei zu, er wurde verhört, aber blieb trotz Schreibverbot in Deutschland. (Siehe
auch seine schöne Autobiographie:
https://www.ardaudiothek.de/sendung/erich-kaestner-als-ich-ein-kleiner-jung…
<https://www.ardaudiothek.de/sendung/erich-kaestner-als-ich-ein-kleiner-junge-war/13152059/>)
Grund war mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Aufgabe, sich um seine Mutter zu kümmern, die
er - noch Kind - mehrmals vom Selbstmord durch Sturz von Brücken zurückgezerrt und
zurück-überredet hat.
Diese ihm widerfahrene Entwicklung bahnte eine besondere, Kästners ganzes Leben prägende
Verpflichtung gegenüber seiner Mutter, und hinderte ihn, trotz Bekanntheit und materieller
Unabhängigkeit, wie viele andere (Billy Wilder, Carl Zuckmayer, Hannah Ahrendt etc.) z.B.
in die USA zu emigrieren.
Die so angelegte Bahnung ist eine in Bezug auf mögliche Entwicklungen alias
Entwicklungsmöglichkeiten. Sie ist zwar prägend und vor-formend, aber anders als eine
bereits verwirklichte Lebensbahn: sie bezieht sich nicht auf Verwirklicht-Wirkliches,
sondern eben auf Möglichkeiten. Die Zukunft, in die sie weist, ist (trivialer Gedanke…)
natürlich ebensowenig eine Zeit des Verwirklicht-Wirklichen, sondern des (gegebenenfalles,
unter Umständen vielleicht) Möglichen. Es ist eine Form von Zeit und Zeiten, die wir als
Möglichkeitszeit bezeichnen können, und die Bahnung liefert keinen verwirklichten Weg,
sondern einen Grund der Möglichkeit nach, einen Ermöglichungsgrund.
Damit gibt es zwei Formen von Zeit: die (in Vergangenheit und gerade jetzt) verwirklichte
Zeit, und die „darunter liegende“ der Ermöglichung, wobei sich die Zeit, kaum vergangen,
in einen aus dem bisher Geschehenen erstellten Ermöglichungsgrund darstellt.
Das heißt, die wirkliche Zeit bezieht sich auf das Jetzt, die vergangene Zeit nimmt die
Form der ermöglichenden Bahnung an, und die künftige Zeit hat dieselbe Form, nämlich die
einer Möglichkeit und nicht die einer tatsächlich verwirklichten Zeit.
Potenzielle Zeit und aktuelle Zeit sind somit zu unterscheiden, und nur die nach
Beobachtung verwirklichte Zeitspanne kann dinglich in klar nach Anfang, Mitte und Ende
unterteilte Stücke gegliedert, das heißt korrekt gemessen werden.
Die von mir u. a. hier angeführte „Innenzeit“ oder „Eigenzeit“ ist also die Kombination
aus actus und potentia auch im Sinn der Zeit und der Form ihrer Erstreckung, das heißt,
sie ist die beobachtbare Wirklichkeitszeit mitsamt der zu Grunde liegenden Zeit des
Ermöglichungsgrundes, letzterer gespeist aus dem, was geschah, und in die Zukunft im Sinn
möglicherweise einzuschlagender, im Jetzt gebahnter optionaler Wege. Das ist die
Möglichkeitszeit…
Der momentanen Ermöglichung habe ich die Form der Schale zugeordnet, deren Erstreckung der
Möglichkeit nach ergibt das Ausrollen der momentanen Ermöglichung in die Zukunft. Die
Bahnen bestehen also aus Möglichkeit, sie können in Begriffen der Wirklichkeitszeit als
gemessene Häufigkeiten in die Welt der Möglichkeiten projiziert werden, aber diese
Projektion aus der Wirklichkeitszeit und verwirklichten Zeit erfolgt in eine andere Welt,
die von einer anderen Zeitform geprägt ist, nämlich der potenziellen Zeit.
Leib und Seele
Im Deutschen werden ja Körper und Leib unterschieden. Der Leib ist der beseelte Körper,
und mit der Beseelung ist auch seine Subjektivierung verbunden. Die Seele / Psyche im
aristotelischen Sinn strukturiert den Stoff, und sie tut das aus einem Vermögen heraus,
und der Möglichkeit nach. Sie schöpft aus einem Vermögen, und kombiniert dieses weiter
bestehende Vermögen mit seiner zeitweiligen Verwirklichung, dem ins Werk setzen,
griechisch der energeia. (Der qualitative Energiebegriff der Antike wurde durch Leibniz,
Thomas Young, Joule etc. auf quantitative Aspekte des Qualitativen fokussiert und so zum
modernen Energiebegriff).
Der strukturierende Grund strukturiert, indem er Möglichkeitsbahnen bereitstellt. Das ist
die Aufgabe der dem Fortdauern zu Grunde liegenden Instanz, der potentia. Somit ist das,
was mit Seele assoziiert, wird eine Instanz der ermöglichenden Zeit, alias der
potenziellen Zeit. Sie ist, wie schon Aristoteles sagt nur aus der erlebten Verwirklichung
heraus zu vermuten, indem geschaut wird, was ein Etwas tut, und daraus auf ein
vermutendes, zu Grunde Liegendes geschlossen wird. (Sinngemäß: Ein Jedes wird danach
beurteilt, was es zu leisten vermag. Vermag: Vermögen, potentia, Potenzial, Zu Leisten:
Verwirklichung, actus, Aktualität).
Zusammengefasst: Die Ebene, auf der die „Seele“ tätig ist, ist die der potenziellen Zeit,
aus der heraus die Realisierung zu verwirklichtem Zeiten, zu wirklicher Zeit erfolgt. Sie
könnte aus gemessenen Häufigkeiten in der verwirklichten Zeit in die Zukunft projiziert
werden, aber ihr Wesen ist nicht diese Projektion aus verwirklichter Zeit, sondern eben
die andere Zeitform der potenziellen Zeit. Dem haftet nichts Geheimnisvolles an, es ist
ein Faktum, dass es Verwirklichung und Möglichkeit gibt, und dass beides dem Sinn nach
unterschieden werden kann.
Als Letztes
Als Letztes: Dem Sinn nach: Der Sinn bezieht sich auf die durchgehaltene Strukturierung
eines nach actus und potentia gegebenen Innen, er setzt somit die Existenz sowohl eines
den Moment überdauernden ermöglichenden Grundes als auch die Existenz von Verwirklichungen
(aus denen heraus nur vermutend auf ihn und den ermöglichenden Grund geschlossen werden
kann) voraus. Insofern ist seine Referenzzeit sowohl die verwirklichte als auch die
potenzielle Zeit – in Kombination, aber nicht alleine die verwirklichte Zeit. Sie schafft
keine Zeithorizonte, beinhaltet keine Bahnungen, keine Möglichkeitsrume.
Der Modus der potenziellen Zeit ist nicht die Addition oder Subtraktion, sondern die im
Sinn der möglichen Verdichtung angedeutete, evozierte Assoziation im Sinn des
Zusammenklangs, der stimmigen Klangverdichtung. Es sind keine Mengen, die aus distinkten
Elementen gebildet werden, sondern als Fortlaufende erfasste Momente mitsamt ihrem
ermöglichenden Grund und den diesem entspringenden Bahnungen in potenzieller Zeit. Ihr
Nicht-greifbar-Sein hat nichts mit Hokuspokus zu tun, sondern beschreibt das Faktum des
Unterschiedes von verwirklichter Zeit und potenzieller Zeit. Das Jenseits der
verwirklichten Zeit ist kein Schwindel, sondern das Faktum einer anderen Zeitform. Mit dem
Terminus Innenzeit wird auch auf diese Zeitform Bezug genommen, wird auch sie in der
Schilderung der Realität z. B. von „Zeithorizonten“ berücksichtigt.
Sorry, wieder sehr lange geworden, es ist halt meine Form des Denkens, für die Mitdenkende
als Gesprächspartner essenziell sind, und hier hilft mir das Forum mitsamt seinen einsam
im Phantasiewald schön lebenden „einzelgängerischen wechselwirkungs-fetischisten“ und
vielen anderen ungemein,….
Viele Grüße,
Thomas
Am 09.11.2024 um 07:11 schrieb waldemar hammel über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 09.11.2024 um 03:36 schrieb Karl Janssen über PhilWeb:
Nun gute Nacht (im wahrsten Wortsinne) und schöne
Träume, denn grade platzte ein schöner Traum vom grünen Baum mit roten Früchten, die
Blätter färben sich goldgelb. Winter ante portas.
ach winter ...
alles, das zuletzt "opus majus" werden will, muss zuvor durchs stadium des
"nigredo" (fäulnis, dunkelheit, "wintern")
und was heißt schon "winter"? wird ja immer wärmer, die letzten jahre hier im
hunsrück kein oder nur minimal flugschnee für 2/3 tage gehabt,
hier also "winter" = rasputiza = nur schlamm+matsch periode,
"nur die harten kommen in den garten", nein, stimmt nicht, sondern die jeweils
best-angepassten egal an was haben die optimalen chancen,
schamloser opportunismus das gebot der stunde,
daher passe ich mich jetzt schon auf/an den kommenden rechtsruck DE an ... (was scheren
mich meine sprüche von gestern),
denn ich möchte mit spätestens 79-94 jahren auch mal präsident oder kanzler von
wenigstens DE-cancelbunny-country sein,
so wie habeck jetzt in seinem küchenzeilen-video clip sich ebenfalls bewirbt (kanzler?
och das kann ich auch ...),
und dich, karl, ernenne ich dann zum vize, ganz einfach:
du machst die arbeit, regieren, korrumpieren, das volk drangsalieren, die menschheit von
mir aus höher steigen lassen, usw,
und ich sitze samt den hunden in einer möglichst einsamen waldhütte und pflege meine
hobbies als einzelgängerischer wechselwirkungs-fetischist,
unter kaffee und tabak, denn wer nichts macht, der macht an sich auch nichts verkehrt,
und man muss ja garnicht regieren, man muss nur die anderen glauben machen, dass sie
regiert würden, das genügt,
sieht man an göttern, die die welt regieren, niemand da, aber der glaube-dass versetzt
bereits berge, ohne dass dies real unterfüttert werden müsste
wh.
<https://www.avast.com/sig-email?utm_medium=email&utm_source=link&utm_campaign=sig-email&utm_content=emailclient>
Virenfrei.www.avast.com
<https://www.avast.com/sig-email?utm_medium=email&utm_source=link&utm_campaign=sig-email&utm_content=emailclient>
<x-msg://17/#DAB4FAD8-2DD7-40BB-A1B8-4E2AA1F9FDF2>_______________________________________________
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