Am 13.05.2021 um 22:06 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Das von Dir verlinkte Dokument (eher ein Vortrags-/Vorlesungs-Skriptum) kenne ich, sowie
Corfields Argumentation in diversen Foren. Ich möchte und brauche auf Corfields
Ausführungen zur HoTT nicht näher eingehen, da hier jeder das benannte Dokument
durcharbeiten kann.
Mein Bezug auf ihn liegt in der Übereinstimmung zu seiner These bzw. seinem Anliegen, für
die derzeit existenten, als abstrakte Konstruktionen diskutierten (zerstückelten)
Raumbetrachtungen eines solchermaßen angenommenen „Gesamtraums“ und darauf bezogener
Abschnitte („Raum von Abschnitten“) einen neuen Weg resp. Methoden zur finden, die diese
vorherrschende „vereinzelnde“ Raum-Darstellung hin zu einer „ganzheitlichen“
Betrachtungsweise von räumlichem Zusammenhalt und „Geschmeidigkeit oder Glätte“ zu
entwickeln.
Hi Karl,
dann hatte ich Dich missverstanden, aber was irritierte Dich denn nun an Dietmars
Formulierung: "Die geometrischen Ressourcen der HoTT sind vor allem für Menschen von
Interesse, die statt Metaphysik lieber Physik treiben…“? Sollte nicht vage Metaphysik
durch HoTT-basierte Physik präzisiert werden? Mit HoTT lässt sich ja nicht nur
metaphorisch von Denkrichtungen und -räumen schreiben. Aber wird HoTT jemals in einem
Logikpflichtkurs für Philosophen vorkommen?
Dass von mir verlinkte Vortragsskript sollte nur der Orientierung dienen und ist für sich
nahezu unverständlich. Du wirst ja schon in die ausführlicheren Beschreibungen dazu
geschaut haben: "Modern Physics Formalized in Modal Homotopy Type Theory“ und
"Quantization via Linear Homotopy Types“ von Urs Schreiber. Ich hatte sie einstmals
nur überflogen, denn ein sorgfältiges Studium könnte sich über Jahre hinziehen.
Wie anders als rückblickend kann man den bisher
erreichten Wissenstand reflektieren und darauf aufbauend diesen neu entwerfen resp.
(soweit möglich) vervollkommnen?
Die Mühen der Suchenden und die der Forschenden sind allenfalls nahezu jeden Blick wert
(gleichermaßen ob zurück oder vorwärts gerichtet) wie ebenso auch die Lust der von Staunen
begleiteten Erkenntnissuche und erst recht des Zugewinns von Erkenntnis jeder Mühe wert
ist.
Soweit ich das sehe, hat HoTT in der Physik bisher kaum eine Rollte gespielt, ganz anders
als die Mathematik der Faserbündel, die physikalisch interpretiert alle Feldtheorien der
vier fundamentalen WW enthält: ART, QED, QFD, QCD. Interessant dabei ist, dass Bündel- und
Eichtheorie bis zu Wu und Yangs Zusammenschau 1975 unabhängig voreinander entwickelt
wurden: "Concept of nonintegrable phase factors and global formulation of gauge
fields.“ Und Yang in PHYSICS TODAY 2014 "reports that his colleague mathematician
James Simons exclaimed, `Dirac had discovered trivial and nontrivial bundles before
mathematicians.' Remarkably, however, in 1931, the same year that Dirac discovered his
monopole, Heinz Hopf discovered its fiber-bundle equivalent, now known as the Hopf
fibration of the 3-sphere.“ Die Originalarbeiten Diracs und Hopfs sind heute frei im
Internet verfügbar.
Und wie war es zur Supersymmetrie gekommen? Daran hatte mich kürzlich der Blick in das
Buch „Theoretische Mechanik“ von Julius Wess erinnert. Denn Wess & Zumino hatten 1974
"Supergauge transformations in four dimensions“ vorgeführt und damit die Grundlage
für weitere supersymmetrische Theorien geschaffen. Wess’ Lehrbuch nun führt bereits die
interessierten Anfänger anhand von Symmetrieprinzipien in die Mechanik ein. Leider gab es
das Buch noch nicht während meiner Studienzeit, denn es erschien erst 2008, kurz nach dem
Tod des Autors herausgegeben von einem seiner Schüler.
Die aus Symmetrien heraus entwickelte Mathematik begann mit Felix Klein (Erlanger
Programm), die der Physik mit Einstein in den Relativitätstheorien. Und in HoTT nun geht
es eigentlich auch nur um das Ausschöpfen von Symmetrien, ausgehend von den Varianten
eines Verständnisses von Identität, Gleichheit, Äquivalenz, Isomorphismus. Was in welchem
Kontext bzw. welcher Struktur als „gleich“ anzusehen ist, hat ja stets weitreichende
Konsequenzen. Yang ging seinerezeit von der Isospin-Symmetrie aus, die bereits Heisenberg
zur Gleichbehandlung von Neutronen und Protonen als Nukleonen eingeführt hatte, und setzte
damit den Grundstein für die eichtheoretische Gleichbehandlung der vier WW. Das hat bis
zur Supersymmetrie geführt, deren Konsequenzen womöglich bald in weiteren Experimenten
aufscheinen.
IT