Am 01.06.2021 um 14:50 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Schriftsteller bleiben gerne im Nebel der
Metaphern und Analogien. Verhält sich vielleicht Gnade zu Gerechtigkeit wie Zufall zu
Kausalität?
Kurz hier hineingezwängt:
Ja, ich bin der Meinung, dass diese Relation besteht; denn die Elemente beider Bezüge
haben kein (absolutes) Alleinstellungsmerkmal:
Gerechtigkeit kann es ohne Gnade (Billigkeit in juristischer, Barmherzigkeit in
christlicher und Nachsicht in humanistischer Form) nicht geben - ebenso wie Kausalität
(als Element von Determination) nicht ohne den Einfluss objektiven Zufalls (und sei er
nich so gering) einhergeht.
Hi Karl,
Dürrenmatt mag es auch so gesehen haben, aber was ist mit der Sozialrevolutionärin und
Religionsfanatikerin Simone Weil? In ihrer Textsammlung „Schwerkraft und Gnade“ soll sie
die universale Gravitation als Metapher für die allgöttliche Gnade angesehen haben: die
eine ziehe nach unten, die andere wie das Licht nach oben.
Zitat: „Menschliche Mechanik: Wer leidet, sucht sein Leiden anderen mitzuteilen — sei es
durch Misshandlungen, sei es dadurch, dass er ihr Mitleid hervorruft—, um es so zu
vermindern, und derart vermindert er es in der Tat. Wer ganz unten ist, wen niemand
bedauert, wer über niemanden Gewalt hat, den er misshandeln könnte (wenn er weder ein Kind
hat noch irgendein Wesen, das ihn liebt), bei dem bleibt das Leiden in ihm und vergiftet
ihn. Das ist unentrinnbar wie die Schwerkraft. Wie kann man sich davon freimachen? Wie
befreit man sich von dem, was wie die Schwerkraft ist? Ist es nicht überdies eine
anerkannte Tatsache, dass die Astronomie aus der Astrologie, die Chemie aus der Alchimie
hervorgegangen ist? Aber man deutet diese Nachfolge als einen Fortschritt, während es sich
um einen Verfall der Aufmerksamkeit handelt.“
Ziemlich wirres Zeug, wie ich finde, so dass ich mir die Lektüre nicht antun werde. Aber
was ist mir Dir? Hast vielleicht schon mehr von Simone Weil gelesen? Wie konnte sie sich
von der Sozialrevolutionärin zur Religionsfanatikerin entwickeln und schlussendlich durch
Verhungern auslöschen?
IT