Am 11.12.22 um 16:50 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
ja eben, ob selten oder meistens, es liegt im Ermessen
des Gerichts,
die Klima-Klebenden zu verurteilen, das Strafmaß festzulegen oder sie
einfach freizusprechen.
das stimmt, hierzu trägt die richterliche Unabhängigkeit und die
Anwendung einer Auswahl aus den vielen teils widersprüchlichen Normen
bei, das Strafmaß ergibt sich aber aus den jeweils gefundenen Normen.
Hier geht es um die Abwägung der Sachverhaltsdarstellungen, und der
Richter soll zu einer Sachverhaltsdarstellung des Gerichts kommen, wobei
nur im Strafrecht von Amts wegen ermittelt werden soll, bei Zivilsachen
soll der Richter mit Berücksichtigung der Sachverhaltsdarstellungen der
Parteien herausfinden, was "das Gericht" denn nun feststellt, und dabei
noch mit Blick auf die Normen, die zudem von den Parteien angegeben
werden. Und doch soll "das Gericht" auch noch die Logik (im allgemeinen
Sinn) implizit beachten. Das alles zu tun ist nicht weniger verwirrend
als ich es hier auch schreibe.
Hinzu kommt noch die Spannweite der juristischen
Maßnahmen bspw.
zwischen München und Berlin.
Das stimmt auch.
Wenn ein Physiker auf einen Juristen trifft: Das Wort
Sachlage habe
ich analog zu Rechtslage gewählt in Erinnerung an Rechtsübungen, in
denen es darum ging, nach geschilderten Lebenssituationen, die Frage
zu beantworten: „Wie ist die Rechtslage?“ Neigen Juristen nicht dazu,
sich das ständig zu fragen?
Sie müssen mit einem Auge auf die Rechtslage schauen, sie neigen nicht
nur dazu.
Die Frage nach der Sachlage ist für mich aber die nach
den physischen
Vorgängen in den Lebenssituationen: was ist wie genau mit welchen
Folgen passiert?
Für die Juristen auch, sie müssen mit einem anderen Auge darauf schauen.
Das hat noch nichts mit den rechtlichen Konsequenzen
zu tun.
Richtig.
Denn ob etwas als Tathergang oder bloßer Vorgang
betrachtet wird,
trennt gerade Science von Humanities.
Wenn du mit Kant die Kausalität bei Personen mit dem Willen ersetzt,
dann ja, sonst aber nicht. Nur bei Rechtssachen ist vieles möglich, so
wo wie bei Gott ziemlich alles möglich ist. Die Juristen setzen oft
einen Sachverständigen ein, und sagen dann, dass sie die "Science"
genügend berücksichtigt haben.
Dabei sind bspw. Betäubungsmittel und
Schwangerschaftsabbrüche
besondere ideologische Streitfälle geblieben, die nicht nach
Wissenschafts- bzw. Sach-, sondern nach Rechtslage beurteilt werden.
Wie sollen Juristen nach der Sache entscheiden können, wenn es das
Gesetz nicht zulässt?
Dieser Satz ist mir nicht ganz verständlich, die Frage auch nicht. Ich
enthalte mich sowieso des Lemmas Ideologie.
Ist dann nicht ausserparlamentarisch auf eine Änderung
der Gesetze zu
drängen?
Darauf drängen viele, in allen Himmelsrichtungen.
Hat es jemals wesentliche gesellschaftliche
Veränderungen zu mehr
Freiheit und Gerechtigkeit hin gegeben ohne ausserparlamentarische
Proteste?
Ich denke an Robert Michels, ein Schwungrad und den Satz "Wie es war zu
aller Zeit, so auch jetzt und in Ewigkeit." Ob jedoch die APO etwas
bewirkt, ist eine andere Frage, sie kann einerseits über Jahre ganz
schlimm unterdrückt werden, und im Mainstream untergehen. Hat die APO
den Schah gestürzt, so wie sie jetzt den Aya.. stürzen will? Das Thema,
das jeweils aktuell ist, ist auch eine Art Schwungrad.
Noch einmal zugespitzt: Folgerungen aus Naturgesetzen
sind notwendig,
Folgerungen aus Rechtsgesetzen kontingent, wenn nicht zufällig;
nämlich je nachdem wer gerade wann nach welchen Gesetzen richtet.
Das Wort notwendig ist problematisch, fast metaphysisch. Die Wortfolge
Zufall und Notwendigkeit trägt eine Unklarheit, eine Willkürlichkeit
(des Jacques Monod?) mit sich. Warum nicht Zufall und Kausalität?
Meinem Eindruck nach wird es nicht oft sondern selten
verfolgt, aber
den Dissens können wir zurückstellen, da ich keine seriösen
Untersuchungen dazu kenne.
Dann mache selbst mal eine zumindest vorläufige Untersuchung.
Was mir allerdings unabhängig davon bereits auffällt,
ist, dass nicht
die Autofahrenden für die Folgekosten ihrer Fahrerei und Parkerei
aufkommen müssen, ebenso haben Lebens- und Genussmittelhersteller
nicht die Gesundheitskosten mitzutragen, die sie mitverursachen. Oder
fällt das etwa unter die Dispositionsmaxime?
Ja, zwar nicht so mit dem "fällt
unter". Bei einem Antrag beim
Verfassungsgericht (ich verwende hier möglicherweise
korrekturbedürftige Ausdrücke) muss die Person selbst betroffen sein.
Dann erst ist der Antrag berücksichtigt. Bei Gesetzesklagen weiß ich
das jetzt nicht.
Es kommt doch auf die Gewichtung der jeweiligen Gruppe
an — und die
lässt sich nicht nach der Lachstärke beurteilen, sondern nach den
wissenschaftlichen Begründungen.
Die wissenschaftlichen Begründungen sind für die Politiker zu einem Teil
interessant, zu einem anderen gar nicht. Und dann kommen noch die
moralischen Begründungen ihnen dazu, von wo auch immer.
Dann hätten die vielen Eigeninteressenvertretenden
... genau, diese gibt es zu Hauf!
gegenüber den wenigen Unparteiischen nichts zu lachen,
aber die Gesellschaft würde ein wenig gerechter.
Wenn ...,
und dann: "zuerst das ... dann die Moral". (Bertolt Brecht)
Deine weiteren Sätze sind für mich in Ordnung, sie sind mir aber nicht
genau genug, und zu allgemein, so dass ich nichts dazu schreiben kann.
JH