Am 15.11.2023 um 12:49 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Mittels AI werden Kohärenzen als im Bayesschen Sinn wahrscheinlich unterstellt, und je
nach Größe der Datenbanken sind die Ergebnisse ja furchterregend treffend - etwa Imitate
philosophischer Schriften etc.
Was wohl fehlt, ist etwas, das über vorhandenes Wissen (z. B. Geschriebenes) hinausgeht,
der Blick über den Tellerrand, das in-Frage-Stellen von Denkgewohnheiten, das neu
Anordnen, das Rekontextualisieren.
Und erst ab da würde es nicht nur amüsant, sondern auch spannend.
„Furchterregend treffend“:
Künstliche Intelligenz (KI) wird - neben vielen begrüßenswerten Hilfestellungen -
definitiv zu einer Art Entmenschlichung führen.
Mit Menschlichkeit beziehe ich mich jetzt nicht auf für den Menschen typische, formative
Verhaltensweisen seiner gesellschaftlichen Alltagsgestaltung, sondern im Sinn einer
hinreichenden Einfühlsamkeit gegenüber seinen Mitmenschen und der daraus resultierenden
Wechselbeziehung, i.w. also interaktive, wohlwollende Kommunikation.
Damit verbinde ich Charaktereigenschaften wie Mitgefühl, nicht ausschließlich gemäß
Schopenhauers Mitleidsethik, nach der ein „Mitleiden“ im wirklichen Wortsinne gemeint ist,
sondern ein eher rationales Mitfühlen, ein umsichtiges Eingehen auf die Not, das Leid
eines anderen Lebewesens; Christlich ausgedrückt als Ethik der Mitgeschöpflichkeit, wobei
Religion (i.w. gemäß des Dekalogs) nicht alleinige Maßgabe ethischen Verhaltens sein kann,
denn Mitleid, Mitgefühl sind im menschlichen Bewusstsein per se vorhanden, auch wenn diese
Eigenschaften nicht selten durch die Sinne belastendes Alltagshandeln verschüttet sind.
Die Frage ist nun, ob benannte Eigenschaften wie Mitleid, (Nächsten-)Liebe, Güte,
Hilfsbereitschaft, Wohlwollen (Milde, Billigkeit), Toleranz, etc. in Maschinencode (nichts
anderes ist KI) programmiert werden können.
Meiner Meinung nach nicht und ich habe abertausende Zeilen Programmcode als IT-Ingenieur
geschrieben.
Gefühle lassen sich nicht programmieren, allenfalls artifiziell durch Rechner/Roboter
ausdrücken, wie etwa durch Chatbots: „Es tut mir leid, von Dir zu hören….“. Es kommt
beispielsweise nie und nimmer der tröstenden Umarmung eines liebenden Menschen gleich, wie
etwa einer Mutter, die ihr krankes Kind im Arm wiegt. Will die Mutter nun wissen, was
ihrem Kind fehlt, könnte sie durchaus hilfreiche Unterstützung von einem Chatbot erhalten,
nicht jedoch die zum Erkennen vieler Krankheit erforderliche Gesamtsicht auf das
Geschehen, insbes. aber das Gefühl, eben das Vermögen zu menschlicher, im besten Fall zu
liebevoller Einfühlsamkeit medizinischen Personals.
Es ist die Liebe der Mutter zu ihrem Kind, die gewissermaßen naturgegeben ein auf beide
abgestimmtes Zusammenwirken auslöst, wie eben auch zwischen sich liebenden, bzw. sich in
Sympathie verbundenen Menschen, eine Verbindung, die man umgangssprachlich auf „gleicher
Wellenlänge“ schwingend verbunden sind. Das ist interagierende Kohärenz. Dieses liebevoll
aufeinander abgestimmte „Zusammenschwingen“ ist nicht ohne Aufwand zu erreichen. Es kostet
Einsatz, Aufwand, Energie eben und diese aufzubringen, erfordert in erster Linie
liebevolle Zuwendung. Jedes Mitglied einer hilfeleistenden Institution oder Organisation
wird die zermürbenden Einsätze nur leisten können, wenn grundsätzliche Liebe zum
Mitmenschen gegeben ist. Wie fürchterlich und unbegreiflich, wenn – wie immer wieder zu
sehen – Menschen das nicht zu würdigen wissen oder sogar noch Missbilligung zeigen.
Insoweit sollte jeder einfühlsame Mensch erkennen, dass hier benannter Aufwand - also
Energie - zum Erreichen und Erhalt eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens (resp.
Zusammenschwingen als eben Kohärenz) keine bloßen Worte sind, sondern diesbezügliches
„enacting“ tagtäglich von wirklich sehr vielen Mensch betrieben wird.
Gemeinsam wirklich verbunden zu sein, setzt ein „in Resonanz sein“, also einen Gleichklang
voraus. Für Christen bedeutet das, dass sie ausschließlich nur mit einem Göttlichen in
Verbindung kommen, wenn sie in Resonanz mit der „Schwingung“ dieses von ihnen gespürte
transzendenten Wesens kommen, das mag in tiefer Kontemplation und entsprechender
Innen-Außen-Transformation gelingen, ein ernsthaft tiefes Gebet etwa und niemals pures
Lippenbekenntnis. Letzteres ist – wie immer – für Christen unter uns hier geschrieben.
Und nun – zur Vervollständigung des Ganzen – Ingo T.:
„Liebe macht blind und abhängig und duldet so mache Demütigung und Unterdrückung. Deshalb
hat Virginia Woolf die Liebe neben der Religion als gleichermaßen verabscheuungswürdig und
zerstörerisch angesehen.“
Da mag sich hier jeder seine eigenen Gedanken machen. Wer es simpel mag: Man kann mit
einem Hammer Häuser bauen, aber auch Menschen erschlagen. Zwischen Gebrauch und Missbrauch
liegt bisweilen nur eine winzige Distanz, geeignet zum Übersprung abstruser Ideen und
Beschreibungen.
Mit bestem Gruß in die Runde! - Karl