Am 12.11.2021 um 00:36 schrieb Joseph Hipp via Philweb:
Um diesem Hamsterrad ausgetauschter persönlicher
Überzeugungen,
Einschätzungen, Postulate zu entkommen, würde sich das Bemühen
anbieten, die hier diskutierten Themen auch aus jeweils
gegensätzlichen Perspektiven zu reflektieren und dabei auf kategorisch
(zumeist spontan) angelegte Gegenrede zu verzichten.
Das ist doch ganz richtig so, was du in diesen Sätzen schreibst. Aber
so wie ich in der Vergangenheit sehe, ist es gerade diese Rede und
Gegenrede, bei der du am liebsten mitmachst. Ein gutes Vorhaben hast
du, aber was nutzt das Vorhaben, wenn du deine Zeit mit gerade dem am
liebsten mit Gegenteiligem verbringst. Entschuldige meine Direktheit,
zudem sehe ich das vielleicht falsch.
Da gibt es nichts zu entschuldigen, denn diese Einschätzung trifft exakt
zu. Und ich denke immer wieder in dieser Weise, warum ich Zeit damit
vergeude.
Vielleicht ist es nichts als eine Art „Schachspiel“, zu dem man sich
immer wieder herausgefordert sieht. Es wird, so wie es gespielt wird,
nie zu einem Ende kommen, da die (Denk-)Figuren viel zu sehr
gegeneinander verbarrikadiert sind. Soweit - so zutreffend; aber da ist
natürlich noch ein anderer Grund, den man rückblickend auf dieses
„Hamsterrad der Gegenreden“ erkennen kann:
Dieses „sich miteinander auseinander zu setzen“ (wie sollte Dich,
Joseph, dieses Wortspiel entzücken oder doch eher verstören?) hat neben
dem Reiz eines „Spiels“ doch auch einen klaren Mehrwert. Sofern man
nicht lediglich an plumper Gegenrede im Sinne selbstwertsteigernder
Intervention interessiert ist, sondern am Thema orientiert auch an
dessen zugrundeliegenden Fakten, wird/kann die solchermaßen erzwungene,
tiefer gehende Beschäftigung damit zu einem Zuwachs an Wissen und
Erfahrung führen. Von dieser Art quasi rekursiv aufwachsenden Wissens,
wird jeder aktiv oder gewesene Lehrende wissen.
In der mir typischen Weise (wie diese offensichtlich nicht rezipiert
will) hatte ich wiederholt vom Update resp. einer möglichen Korrektur
der eigenen Einstellungen bzw. Überzeugungen (ggf. „false beliefs“)
durch einen a-priori und a-posteriori – Abgleich mit anderen und vor
allem gegensätzlichen Meinungen/Überzeugungen gesprochen, der zur
Abänderung der persönlicher Konditionierung (also Fixierung auf ggf.
„false beliefs“) führen kann bzw. sollte.
Nochmal, bezogen auf Dein „Argumentum ad verecundiam“, würde der Vorteil
eines durchaus kontrovers geführten Disputs eben darin liegen, durch
diesbezüglich zunehmende eigene Kompetenz, sich von vorgegebenen Thesen,
Hypothesen aus Fachkreisen lösen, also gewissermaßen sich davon
emanzipieren zu können.
Damit relativiert sich der von mir beschriebene Unterschied zwischen
Fachkraft und Laie für den eigenen Wahrnehmungshorizont, wie Du dieses
offenbar damit ausdrücken willst:
/
//jh: „Also ich bin gerne unter Dilettanten, Schwaflern, Laien,
Schwadronierern. Hier gehe ich mit Villiers de L'Isle-Adam, dem doch
eine "femme bête" lieber gewesen wäre als eine femme sotte. Er
kritisierte die Gelehrsamkeit gegenüber der naiven Ehrlichkeit.“/
Damit schließt Du Dich Waldemars Präferenz für das „Tierische“ an, warum
auch nicht. Ich hatte das Glück, anstatt einer Tier-Frau oder gar einer
dummen, eine sehr kluge Frau als Lebenspartnerin zu haben. Sie ist wie
ich Ingenieur/in und hat – Gott sei es gedankt – keine absurd
konstruierten Hirngespinste, sondern durchaus sehr realistische
Ansichten von Leben und Welt. Wie diese in ihrem Gehirn zusammengesetzt
werden, ist ihr schlichtweg egal, da sie sehr konkret mit der ihr
anvertrauten „Welt der technischen Informationen“ umzugehen versteht.
Also gilt für mich: weder Tier- noch dumme Frau, sondern eine, die mit
Verstand und Vernunft den realen Alltag der Lebenswelt zu bewältigen weiß.
Beste Grüße! - Karl
PS: von meinem „Schachspiel“ hält meine Frau (zum Glück) nicht viel:
Zwei solcher Spieler in Zweisamkeit – welches Drama das doch wäre!
Ach so - noch für Waldemar: Du hättest doch Theologie studieren sollen,
dann würdest Du in würdiger Nachfolge des Pfarrer Sommerauer dem Joseph
noch mehr an's Herz gewachsen sein :)))
Und (meinerseits abschließend) noch einmal zum Konstruktivismus:
/jh: "Wenn ich ja sage, darf ich fragen, wo denn der "normale"
Konstruktivismus aufhört, und der radikale Konstruktivismus anfängt.
Oder ich kann den Gehalt der sechs Kriterien des Konstruktivismus in
https://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivismus_(Philosophie) und der
vier Kriterien des r. K. in
https://de.wikipedia.org/wiki/Radikaler_Konstruktivismus prüfen, und
dann dazu streiten, korrekt streiten. Ich will wirklich nichts von oben
herab gesagt haben. Jedoch Punkt für Punkt bearbeiten wäre was. Oder
eben die Punkte anders besprechen. Das ist hier vermutlich nicht
möglich, aber ich sage trotzdem diese Möglichkeit. Hoffentlich habe ich
jetzt niemandem auf die Füße getreten."/
Damit trittst Du keinem auf die Füße, denn darüber "korrekt zu streiten"
ist schlichtweg und definitiv hier nicht möglich!
Ernst gemeint: Dem Denken steht oft das Schubladendenken im Weg.
Warum wird die
Schublade des radikalen Konstruktivismus, des radikalen
Konstruktivisten überhaupt geöffnet? Um ihn hinein zu legen? Geht es
wirklich darum?
...und somit sollte man diese seltsame "Konstruktion" eben auch in der
(wie immer benannten) Schublade belassen.
Nochmals beste Grüße! - Karl