Am 30.07.2025 um 06:29 schrieb Claus Zimmermann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Wenn eine Reduzierung stattfände, fände ich das nicht überzeugend.
Da sind wir uns einig. Weil es aber stets nur um Näherungen geht, kann auf Aspekte nicht
verzichtet werden, wenn überhaupt etwas verstanden werden soll.
"Emotionen sprengen Gemeinsamkeit, da sie
personenbezogen bleiben." (IT)
Neulich hattest du doch noch Nietzsches "dyonysische" Lebensfreude hochleben
lassen, wenn ich mich richtig erinnere, mit der er sich vielleicht von seinem
Herkunftsmilieu abgegrenzt hat. Vielleicht meinst du, dass Emotionen zwar ihren
gemeinschaftsstiftenden Platz im Leben haben, aber nicht in Diskussionen?
Neulich hatte ich ja Nietzsche mit Darwin parallelisiert, d.h. nach Darwin hat
Stoffwechsel, Reproduktion, Mutation Selektion zur Folge und nach Nietzsche hat der Wille
zur Macht, die ewige Wiederkehr des Gleichen, der dionysische Rausch den Übermenschen zur
Folge. Emotionen sprengen den rationalen Rahmen, können gleichwohl Anregungen geben, die
Ränder des Rahmens gleichsam fluktuieren lassen. Aus Diskussionen sollten sie weitgehend
herausgehalten werden.
"EVERY MOMENT IN BUSINESS happens only once. The
next Bill Gates will not build an operating system. The next LarryPage or Sergey Brin
won’t make a search engine. And the next Mark Zuckerberg won’t create a social network. If
you are copying these guys, you aren’t learning from them. Of course, it’s easier to copy
a model than to make something new. Doing what we already know how to do takes the world
from 1 to n, adding more of something familiar. But every time we create something new, we
go from 0 to 1. The act of creation is singular, as is the moment of creation, and the
result is something fresh and strange.“ Merksätze: "competition and capitalism are
opposites“ und "Properly understood, technology is the one way for us to escape
competition in a globalizing world.“ (peter Thiel)
Hier geht es ums Geschäft. Ich würde sagen, dass Waren- und Leistungsaustausch ein Teil
des Lebens ist. Man kann es dem Zitat nicht eindeutig entnehmen, aber vermuten, dass es
für den Autor eine viel grössere Bedeutung hat. Das könnte vielleicht aus dem Glauben
hervorgegangen sein, dass Gott schon in diesem Leben seine Lieblingskinder durch Erfolg
belohnt.
Das wäre geradezu typisch für Amerikaner. Der libertäre Thiel scheint mit dem Christentum
aber nichts am Hut zu haben. Ich finde es bemerkenswert, dass er unverblümt Kapitalismus
und Autoritarismus in Verbindung bringt. 1972 lag dem Kursbuch die „Pyramide der
Unterdrückung“ bei, 2024 war es ein Schema zur Tech-Elite:
https://literaturkritik.de/public/artikel.php?art_id=1396&ausgabe=51
<https://literaturkritik.de/public/artikel.php?art_id=1396&ausgabe=51>
Peter Kafka plädierte für eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, Peter Thiel dagegen
strebt einen Kapitalismus ohne Marktwirtschaft an. Technologiebasiert scheinen sich der
US-Privatkapitalismus und der Staatskapitalismus Chinas anzunähern. Ebenso wie Thiel hat
der auch zur „Paypal-Mafia“ gehörende Palantir-CEO Alex Karp Philosophie studiert — und
das ausgerechnet in Frankfurt u.a. bei Habermas. In seiner Diss. „Aggression in der
Lebenswelt“ bezieht er sich wesentlich auf Adornos „Jargon der Eigentlichkeit“ und Parsons
"The Structure of Social Action“:
Ausgangsfrage Karps: "Zwingt mich ein sozialwissenschaftlich fundierter Ansatz dazu,
über jene Konflikte sozialer Handlung hinwegzusehen, die Aktoren Gelegenheit zur
Befriedigung verpönter Wünsche verschaffen. Und wenn dem so ist, wie kann ich mich dieses
Ansatzes weiterhin bedienen, ohne dabei Gefahr zu laufen, auf den Aggressionsbegriff zu
verzichten?“ Thiel zählt die Gründung Palantir’s zu den kreativen singulären Momenten. Für
Habermas dürfte Palantir den Systemimperativen folgend zur Kolonisierung der Lebenswelt
beitragen.
"Company Overview: Palantir Technologies is a data analytics software provider
founded in 2004 by former PayPal executive Peter Thiel, along with Alex Karp, Joe
Lonsdale, and Stephen Cohen from Stanford University. Palantir develops data analytics
software that addresses fraud prevention, counter-terrorism, and other intelligence tasks.
The CIA’s venture firm, In-Q-Tel, a part of the U.S. intelligence community that invests
in new technologies for defense operations, was an early investor in Palantir. Palantir’s
early clients included a fairly long list of federal, state, and local agencies and
departments, such as the Department of Defense, the CIA, the FBI, Homeland Security, the
LAPD, the Chicago PD and the NSA.“ Alex Karp: "We promote human-driven synergies
between humans and computers by integrating every data store you have — any kind of data
and at any scale.“
Ich habe keine Ahnung von Wirtschaftswissenschaft und
nehme aus der Laienperspektive nur an, dass der Markt ein bewährtes Instrument zum
Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage ist. Hier begegnen sich die Menschen als
Konsumenten und Verkäufer. Weiter können sie es nicht bringen.
Faktisch scheinen in den wesentlichen Bereichen Oligopole das Wirtschaftsgeschehen zu
bestimmen. Daneben gibt es aber die (kleinen und mittleren Unternehmen) KMUs. Noch wird
der Oligopol- durch den KMU-Kapitalismus ergänzt. Wie Fossil- und Techno-Imperium zeigen,
sind mit der Politik hauptsächlich die Oligopole verquickt. Und die gibt es auch im
Bereich der Ernährung; denn „seit Jahren beherrschen Edeka, Rewe, Aldi und die
Schwarz-Gruppe mit ihren Marken Lidl und Kaufland etwa Dreiviertel des gesamten Marktes“,
war kürzlich im Manager Magazin zu lesen.
Erfindungen sind besser als Wiederholungsroutine, das
würde ich auch sagen. KI z.B. Allerdings kann sie selbst nichts neues hervorbringen,
sondern wird an Vorgaben geschult, die sie dann bis zum Erbrechen wiederholt. Man sollte
m.E. wissen, was sie kann, viel besser als wir, und wo sie schadet, wenn z.B. ein
Musikproduzent lieber auf KI setzt als auf erstklassige Musiker und damit den Geschmack
des Publikums verdirbt.
Ist der Geschmack des Publikums nicht schon lange durch Schlager und Musikantenstadl
verdorben bzw. gar nicht erst verfeinert worden? Klassik und Jazz spielen kaum eine Rolle
beim Massenpublikum. Die CD-Käufe und Streaming-Statistiken dürften das offenbaren.
Ähnlich wie bei den KI-generierten Groschen-Romanen werden auch KI-generierte Schlager und
Blasmusik den Massengeschmack nicht weiter verderben können — und die Musikliebhaber
wissen als Produzenten und Konsumenten mit der KI umzugehen.
IT
PS. Bei ChatGPT ist zu lesen: „Genreranking 2023 insgesamt (physisch + digital) Klassik:
ca. 1,7 %, Jazz: ca. 1,5 %. Physisch (CD, Vinyl, Downloads) Klassik: etwa 6 % Anteil am
Umsatz mit CDs. Streaming digital dominiert mit etwa 84 % (2024) bzw. 87,5 % (erste
Jahreshälfte 2025) des Gesamtumsatzes.“ Es werden offensichtlich kaum noch Werke bzw.
Alben ganz gehört, sondern hauptsächlich Einzeltitel.