Am 12. November 2017 um 15:08 schrieb Claus Z. <.(a)t-.de>de>:
Zur Hinterfragbarkeit von Diskussionsregeln: Meiner
Meinung nach sollen sie
dazu dienen, Diskussionen in geordnete Bahnen zu lenken und z.B. jeden zu
Wort kommen zu lassen.
Occams Razor soll dazu dienen?
Aber heißt das, daß wir keine Regel ohne vorherige
Problematisierung
anwenden dürfen? Und uns erst über die Regeln der Regeldiskussion
verständigen müssen?
Das wäre absurd.
Bevor wir über die Sache reden, reden wir erst Mal, wie wir über die
Sachen reden wollen, also...
Das würde bedeuten, dass 90% der Menschen schon aus der Diskussion
aussteigen, bevor sie begonnen hat und eine Diskussion unter z. B.
religiösen Menschen oder Mitgliedern einer Partei wäre dann überhaupt
nicht mehr kritisierbar. Schließlich könnten die vereinbarten
Grundsätze ja lauten "Die Partei/das heilige Buch hat immer recht"
usw.
Doch ist diese Auffassung nicht unbedingt falsch. Früher (Neuzeit) gab
es wirklich solche "Vorbereitungskurse", z. B. die der Ausbildung der
Jesuiten, aber auch an gewöhnlichen Schulen.
Dass wir keine handlungsleitende Regel ohne
regelverständnisleitende
Metaregel verstehen?
Ein Witz:
A. "Du musst deine Begriffe präzise definieren"
B. "Definiere 'definieren', definiere 'präzise', definiere
'Begriff'"
Allerdings habe ich darüber schon mal nachgedacht:
Vielleicht gibt es Erkenntnisfortschritt nicht nur in eine Richtung,
also z. B. von bestimmten Grundsätzen hin zu abstrakteren Grundsätzen
und von diesen zurück zum Einzelfall, sondern auch hin zu besseren
Grundsätzen. Beispielsweise bei EUKLID, der ja als früher Meister der
Systematisierung zu gelten hat, gab es Beweisen, wo er auf Grundsätze
zurückgegriffen hat, die er vorher nicht als Axiome definierte.
Dass wir von Gründen nur reden dürfen, wenn wir bei
jedem Grund die Frage
nach *seinem* Grund nicht nur grundsätzlich zulassen, wenn auch im
Einzelfall begründet zurückweisen - sondern sie prinzipiell stellen?
Ich unterscheide hier immer gern zwei Ebenen.
Wenn ich jetzt z. B. als Schöffe vor Gericht sitzen würde (was Gott
bemühten möge) oder als Teilnehmer an einer Diskussionsveranstalltung,
so werde ich einfach klar und deutlich zur Sache sprechen und gewisse
Gepflogenheiten einfach voraussetzen.
Beim Philosophieren dagegen sollte alles *grundsätzlich* in Frage
gestellt werden. So wie es der alte Sokrates oder Descartes getan
haben. Wir versuchen bessere Rechtfertigungen zu finden um auf einen
besseren Fundament aufzubauen.
Ich vermute, darin zeigt sich, daß wir nicht bei Null
anfangen und uns unser
Leben nur teilweise selbst ausdenken.
Hier klafft eine Lücke.
Wie kommst du von den empirischen Tatsachen zu den Diskussionsregeln
mit ihren merkwürdigen Status, irgendwo zwischen diskussionsethischer
Norm, voraussetzungslosen Axiom, Annahme und abstrakter empirischer
Gesetzmäßigkeit?