Man braucht keine Neuropsychologie, um wissen zu können, dass man die Handlungen von
Personen beeinflussen kann, indem man sie bestimmten Umständen aussetzt, im Extremfall
z.B. foltert. Das liegt natürlich daran, daß wir bei unserem Handeln die Umstände
berücksichtigen, nicht z.B. mit dem Kopf durch eine Betonwand wollen, und im allgemeinen
nach Lust streben und Unlust vermeiden. Aber hier sind schon Gegenbeispiele denkbar, teils
dumm, teils bewundernswert, und es gibt sie auch wirklich.
Schon bei der chemischen Reaktion wäre zu fragen, inwiefern wir denn sagen können, daß sie
"zwingend" so und so verläuft, wenn damit nicht gemeint ist "nach dem Stand
der Wissenschaft". Die Folgen schon in den Voraussetzungen antreffen, das gibt es
meiner Meinung nach nur in der Logik, Mathematik oder ähnlichen Zeichensystemen.
"Alle Menschen in diesem Raum sind sterblich, d.h. A ist sterblich, B ist
sterblich...Z ist sterblich, d.h. wie gesagt, auch S ist sterblich. "
In der Psychologie können wir dagegen nur sagen: dieser Mensch steht unter grossem Druck
(was vor Gericht übrigens strafbefreiend oder -mildernd berücksichtigt wird),
wahrscheinlich wird er das und das tun, und jetzt warten wir gespannt ab.
Grüße, Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 01.10.17 11:37 (GMT+01:00) An: philweb
<Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: [Philweb] Psychologische Gesetzmäßigkeiten und der
Freie Wille
[Philweb]
Hallo liebe Liste,
entschuldigt bitte, wenn meine Gedanken unausgegoren oder albern wirken.
Zunächst einmal: Meines Erachtens basieren die meisten ethischen
Systeme auf den Gedanken des "Freien Willens". Man macht Menschen für
Dinge verantwortlich, die sie tun, nicht für andere Dinge.
Meine Frage lautet nun: Nehmen wir an, eine neue Neuropsychologische
Theorie könnte aus Begleitumständen zwingend ableiten, wie sich eine
Person in Zukunft verhalten wird.
Wenn jetzt die Person A in den Umständen B sich befindet, dann wird A
z. B. ein Rowdy oder ein Dieb.
Können wir in dieser Situation im Ernst noch Person A für seine
Karriere als Dieb oder Knochenbrecher verantwortlich machen? Es waren
ja eigentlich nur die Umstände B, die ihn dazu führten. Er wäre als
Person für seine Handlungen ebensowenig verantwortlich wie
beispielsweise eine chemische Reaktion für ihren Verlauf
verantwortlich ist. Es liegt keine Entscheidung zu grunde.
Ein Kompatibilist könnte jetzt sagen, dass ich hier einen Denkfehler
mache. Wir haben nicht herausgefunden, dass es keinen "Freien Willen"
im Sittlichen Sinne gibt, sondern wie haben etwas neues über den
Willen erfahren. Eben das es sich dabei nur um die Neuropsychologische
Sache XYZ handelt.
Nur meines Erachtens erzwingt diese Interpretation weitreichende
Schlussfolgerungen in Bezug auf Verantwortung und Moral.
Man müsste also eine Ethik ohne Verantwortung erschaffen.
Kann mir jemand folgen?
Was denkt die Liste?
Gruß
Rat.
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