Unsere nun aufgekommene Diskussion über Bewusstsein (als meinen Einschub
zu rf‘s Thema „warum glauben...“) zeigt, wie schwierig es ist, diesen im
Alltagsgebrauch oft nur beiläufig verwendeten Begriff (z.B. bei
Bewusstsein sein als Ausdruck für Wachsein) in seiner eigentlichen Tiefe
zu betrachten.
RF hat kürzlich hier mit „Philosophie als Diversifiktionsstrategie“
einen „Thread“ eröffnet, den wir ja parallel weiterführen können. Und
obgleich Philosophie ja schlechthin für Diversität bei der Vertiefung
zahlloser Themenbereiche steht, würde es sich anbieten, wegen der
spezifischen Vielschichtigkeit des Bewusstseinsbegriffs hier ein eigenes
Thema für seine gemeinschaftliche Erörterung anzulegen. Zwingt doch die
Beschäftigung damit, vor allem aber der Austausch von Ansichten bzw.
Fakten zu einer hilfreich vertiefenden Hinwendung auf diesen
hochkomplexen Themenkreis, gleich, ob unter philosophischen,
psychologisch-medizinischen oder naturwissenschaftlichen
(kybernetischen) Aspekten betrachtet. Allerdings halte ich (wie zuletzt
hier schon ausgedrückt) in Anbetracht des derzeitigen geistes- wie
naturwissenschaftlichen Wissensstands es immer noch für ausgeschlossen,
eine allgemeingültige, gewissermaßen axiomatisch anzunehmende
Begriffsdefinition entwerfen zu können. Sutherland muss schon sehr
ernüchtert ob seiner Beschäftigung mit dem Thema gewesen sein, wie es
ein Eintrag in ‚The International Dictionary of Psychology‘ vermuten
lässt: „Consciousness is a fascinating but elusive phenomenon; it is
impossible to specify what it is, what it does, or why it evolved.
Nothing worth reading has been written on it.“ Man muss die Sache sicher
nicht so kritisch wie er sehen und ich will auch nicht einem du
Bois-Reymond („Ignoramus et ignorabimus“) das Wort reden, zumal ich doch
überzeugt bin, dass der Mensch nicht ruhen wird, zu den Gründen dieses
ihm überlebenswichtig innewohnenden, fundamental untrüglichen Empfinden
von Bewusstheit seines Selbstseins vorzudringen.
Ähnlich, wie Naturwissenschaft die Menschheit (in aufgeklärten
Gesellschaften) aus einem zu Zeiten zwangsläufig dunklen Wissen um diese
belebte Welt zu einem heute vorherrschendem Welt- und Menschenbild mit
unvorstellbarer Tiefe und Präzision geführt hat, wird wissenschaftliche
Forschung zu gegebener Zeit die Grundlagen erarbeitet haben, um eine
interdisziplinär angelegte, definitiv zutreffende Erklärung von
Bewusstseinsstrukturen zu bieten. Das Phänomen Bewusstsein an sich,
insbes. Qualia, wird allerdings nicht in herkömmlicher Art durch eine
kausal-deterministische Erklärung zu definieren sein. Eher wird man
sich auf Basis neuer Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft und
Neurobiologie mittels heuristischer Methoden (Kausalbeziehungen zu
neuronalen Gehirnstrukturen etc.) dem Ziel nähern können, eine Erklärung
für die Entstehung von Bewusstsein zu finden, was allemal zielführender
sein wird, als dieses Phänomen (D. Chalmers: „the hard problem“)
zuvorderst an sich erklären und definieren zu wollen.
Dabei wird es nicht nur damit getan sein, die heute schon sehr präzise
ausgearbeitete Anatomie des Gehirns mit zugehöriger Kartierung resp.
entsprechenden Korrelaten und neuronalen Interaktionen zu kennen (D.
Chalmers: „the easy problem“), sondern eine Beschreibung über (diesen
Prozessen zugeordnete) Informationsstrukturen zu erstellen. Insoweit
wird es zunächst erforderlich sein, sich zum einen von
reduktionistischen Methoden und Denkmodellen (z.B. eliminativer
Materialismus), zum anderen von herkömmlichen Informationsbegriffen (als
Brückenbegriff in Analogie zu konventionellen digitalen Rechenverfahren
heutiger Computer) zu lösen.
Irgendwie erinnert mich diese Thematik und hierbei vor allem die Frage
nach der Eigenart qualitativer Bewusstseinszustände an Luis Armstrong‘s
zugeschrieben genialer Antwort auf die Frage, was denn Jazz sei:
<If you have to ask for it at all, you‘ll never understand> (sinngemäß).
Nun ja, wenn man schon nicht fragen darf, wie soll man jemals eine
Antwort finden. Armstrong in Ehren! Trotzdem sollten wir (hier) weiter
fragen, selbst um den Preis, dabei ggf. auf bestürzende Antworten zu stoßen.
Und weil ich es diesmal mit Zitaten habe: "Conflict is the beginning of
consciousness"; mit diesem Statement trifft Mary Esther Harding den Kern
und bestärkt mich darin, Bewusstsein in eine Beziehung zu
Informationsstrukturen zu setzen, vielleicht in Anlehnung an Bateson's
"the elementary unit of information is difference that makes a
difference". Wir könnten hier darauf zurückkommen, wenn man über IIT
(Integrated Information Theory) nachdenkt: Aktives Bewusstsein als
Zustand komplexer Balance zwischen Differentiation und Integration
neuronaler Prozesse.
Bester Gruß in die Runde! - Karl
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Am Sa., 11. Mai 2019 um 01:54 Uhr schrieb K. Janssen:
Eher wird man
sich auf Basis neuer Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft und
Neurobiologie mittels heuristischer Methoden (Kausalbeziehungen zu
neuronalen Gehirnstrukturen etc.) dem Ziel nähern können, eine Erklärung
für die Entstehung von Bewusstsein zu finden, was allemal zielführender
sein wird, als dieses Phänomen (D. Chalmers: „the hard problem“)
zuvorderst an sich erklären und definieren zu wollen.
Das verspricht man schon seit fast 100 Jahren und wir sind im Grunde
keinen Schritt weiter. Wer nicht selbst zu den Spitzenforschern auf
diesen Gebiet gehört, tut meines Erachtens gut daran, dass Problem
doch als "vorläufig ungelöst" abzuhaken.