Am 13. März 2017 um 02:17 schrieb hipp--- via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ich bin mir anschauen gegangen, was „dichte Begriffe“
sein sollen.
Meines Erachtens ist das Konzept nicht trivial zu erklären. Was, je
nachdem, welche Absicht man verfolgt, ein gutes Argument für die
Existenz dichter Begriffe oder für die Unklarheit des Konzeptes ist.
Nun bin ich mir sicher, dass sie als Umstand ein
Wetzstein für meine Zugangsweise
sind, gemäß der jedes Wort ein Sollen ist, kein moralisches aber eins
das auf Verstehen abzielt.
Kannst du das näher erklären?
Das Wort Verbrechen zielt darauf, dass derjenige, der
es hört, meint, da
sei etwas, ein Gesetz, verbrochen, gebrochen worden.
Heute //kann// man "Verbrechen" sicherlich auffassen als einen Bruch
kodifizierten staatlichen Rechts. Diese "rechtspositivistische"
Auffassung hat seine Vor-, aber auch Nachteile.
Man darf aber nicht vergessen, dass dem alten Demokrit z. B. wegen
seiner Reisen eine Anklage wegen Verschwendung gemacht wurde. Oder das
man manchmal Dinge als Verbrecherisch erkennt, die formal gegen gar
kein Gesetz verstoßen. (Nehmen wir "Stromdiebstahl".)
Es gab und gibt ja noch andere Arten der Rechtsfindung, ich denke da
z. B. an die Gerichte in mittelalterlichen Städten oder an die Orte
auf diesen Planeten, auf denen man römisches Recht oder common law
anwendet.
Unterhalb der "Oberfläche" sind wir uns also sehr wohl doch bewusst,
dass bei dem Wort "Verbrechen" (bzw. bei dem Begriff, der
dahintersteckt) mehr mitschwingt als der Bruch der Landesgesetze.
Es gibt sogar Autoren, die bewust zwischen Verbrechen und
Straftatbestand unterscheiden...
Das, was da gebrochen wird, kann meinen bescheidenen Erachtens nach
also durchaus auch die Moral sein. Wobei wir Mitten in der Diskussion
sind.
Auch Texte aus Gesetzesbüchern sollen nicht so
verstanden
werden wie der Autor es wollte, sondern
sie sollen so verstanden werden wie sie eben beim Zuhörer
verstanden werden, wenn er richtig vorgeht (Hermeneutik). Hier
merkt man wieder Münchhausen, und dass
die vorhin genannte Unabhängigkeit schlechthin
nicht leichtfertig von der Hand gewiesen werden kann.
Über die Auslegung von Gesetzen gibt es seit je her unterschiedliche
Auffassungen. In den USA gibt es dazu beispielsweise verschiedene
Auffassungen, was die Interpretation der US-Verfassung angeht. Die
"Orginalisten" beispielsweise wollen sie nur so verstehen, wie es die
Gründerväter gemeint haben konnten.
Andere wiederum wollen die Verfassung nur aus sich selbst heraus
begreifen, ohne begleitendes Schriftwerk wie die Federal Papers zu
berücksichtigen. (Textualismus)
Was die "Hermeneutik" angeht, so sehe ich nach deiner Beschreibung ein
naheliegendes Problem: Woran erkennt man das korrekte Vorgehen des
Lesers?
Entweder indem wir sagen, korrekt verstanden ist ein Text, wenn der
Leser die Absicht des Autors verstehe oder nicht.
Wenn wir uns für zweiteres entscheiden, dann müssen wir auf den
normalen oder einen ideellen Sprachgebrauch abzielen. Berühmtes
Beispiel etwa, wenn der Firmenchef sagt, er möchte in Nürnberg
"longieren" (mit einem Pferd reiten), er meint aber "logieren" (im
Hotel übernachten). Der guckt dann ziemlich komisch aus der Wäsche,
wenn er an der Pferderennbahn ankommt, weil der ausführende
Mitarbeiter ihn wörtlich verstanden hatte.