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Am 14. März 2017 um 00:42 schrieb hipp--- via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
(Eine Nebenfrage an Ratfrag: Löst sich damit nicht die
Frage nach Humes Gesetz
und allen Sätzen im Zusammenhang mit dem naturalistischen
Fehlschluss damit auf, wenn das Wort Tatsachen nicht verwendet wird?)
Ich nehme an, es geht um "Reden wir über Tatsache" eine - so wollen
wir es mal großzügig nennen - Serie von Briefen, in denen ich unter
anderem den Standpunkt vertrat, dass man auf die Idee von Tatsachen
verzichten könnte.
In der Tat ist der Einwand gut.
Nehmen wir einmal an, wir beobachten den selben Forscher in zwei
Paralleluniversen:
a) Der Forscher kennt die Theorie, dernach alle Schwäne weiß sind. Er
beobachtet ein fremdes Lebewesen, das exakt aussieht wie ein Schwan,
aber schwarz ist. Er nimmt das Tier auf, bringt es nach Europa und
beginnt dort eine lange Diskussion. Am Ende kommt man zum Ergebnis,
dass es sich hier nicht um einen echten Schwan handelt, sondern um
einen "Pseudo-Schwan".
Bald finden sich auch Schriften, die weitere subtiele kleine
Unterschiede herausarbeiten etwa kleine durchschnittliche Abweichungen
im Verhalten der Tier unter bestimmten Umständen oder sowas.
b) Der selben Forscher findet das Tier, bringt es nach Europa und dort
kommt man zu den Schluss, dass eben doch nicht alle Schwäne weiß sind.
Die anderen Naturforscher untersuchen dann diese Tiere und kommen zum
Ergebnis, dass sie im Verhalten, Anatomie usw. im Wesentlichen gleich
sind, also klar zur selben Tierart gehören. Einigen aufmerksamen
jungen Forschern gelingt es, zu zeigen, dass Schwäne unter bestimmten
Bedingungen ein anderesn Verhalten zeigen, die gelehrte Welt fügt
ihren Bild vom Schwan also weitere Aspekte hinzu.
Was ist hier passiert?
Vorher ging man von folgender Schlussfolgerung aus:
(P1) Alle Schwäne sind weiß.
(P2) Das Tier X des Forschers ist ein Schwan.
(K) Es ist weiß.
Es gilt aber: ~K Das Tier ist nicht weiß.
Dieser Schluss war aber falsch. Das Tier war nicht weiß. Wie sollte
man nun weiter vorgehen? In Viersion (a) der Geschichte haben die
Forscher an (P1) festgehalten, aber (P2) aufgegeben. Sie folgerten
Also:
(P1) Alle Schwäne sind weiß.
(~K) Das Tier X des Forschers ist nicht weiß.
(K2) Das Tier des Forschers ist kein Schwan.
In Version (b) passierte etwas völlig anderes. Hier waren die Forscher
eher bereit (P1) aufzugeben als (P2):
(~K) Das Tier des Forschers ist nicht weiß
(P2) Das Tier X des Forschers ist ein Schwan.
(K3) Einige Schwäne sind nicht weiß.
Der Punkt ist, dass in diesem Beispiel die Tatsache zwar feststeht,
aber zu zwei völlig verschiedenen Schlussfolgerungen geführt hat.
Der hier relevante Punkt ist aber: Das wäre völlig unerwünscht auf dem
Gebiet der Moral, oder?
So zumindest sehen es die modernen, deontischen Logiker. Deshalb wird
der Satz []p -> p und p -> <>p meist in diesen Systemen nicht
anerkannt. Nicht alles, was sittlich geboten ist, ist wahr und nicht
alles, was wirklich passiert, ist auch erlaubt.
Das vorausgeschickt, wird mit jeder Äußerung, die z.B.
menschliches
Denken voraussetzt, ein Sollen mit in die Äußerungen sozusagen
hinein manipuliert.
Wir wünschen Menschen durch unser Verhalten zu manipulieren. Man kann
im Grunde schon den Akt des Verstehens als eine subtiele Form der
Manipulation verstehen.
Ist es das, auf das du hinauswillst?
Gegenargument:
Ich sehe darin nicht unbedingt eine normative Komponente. Ich kann
eine Absicht verfolgen und einen anderen Menschen manipulieren, OHNE
dabei an sowas wie ein Sollen zu denken.
Ratfrag beschreibt das im Zusammenhang mit
„Verbrechen“ richtig, aber mit vielen Wörtern.
Das ist tatsächlich eine Art persönlicher Fehler von mir. Fähigere
Leute würde es komprimierter darstellen.
Wenn ich einen Satz als Teil der Kausalketten sehe,
kann ich ihn nicht interpretieren,
ich kann allerhöchstens die Frage stellen, aus was heraus
er entstand und was auf ihn folgt. Dann ist die Hermeneutik
so oder so am Ende angelangt,
Das erinnert mich einerseits an B F Skinner, andererseits an den Pragmatismus.
Allerdings, glaube ich, es lässt sich ein Satz auch weiterhin
wortwörtlich interpretieren. Siehe mein Beispiel mit der Justiz (wohl
heutige die relevanteste Form der Textauslegung, nachdem die Religion
entweder an Bedeutung verlor oder sich in Fundamentalismen begab, die
jede Auslegung leugnen).
Man kann sogar so weit gehen und den "Willen des Gesetzesgebers" von
der "Bedeutung der Gesetze" grundsätzlich als entkoppelt sehen. Der
Gesetzgeber kann demnach ein Gesetz verabschieden und damit A
beabsichtigen, aber in Wahrheit etwas völlig anderes erreichen, weil
er die Zusammenhänge zu anderen Gesetzen, internationalen Verträgen,
Verordnungen, Verwaltungsakten usw.usf. nicht hinreichend
berücksichtigt hat.
Ist das nicht die Ursache der öffentlichen Klage über handwerklich
schlechte Gesetze?
Die "wortwörtliche" Interpretation ist vielleicht zu betrachten als
berücksichtigung des tatsächlichen oder idealisierten Sprachgebrauchs.
Sprich: Duden oder Umgangssprache.