Am 24.08.2023 um 00:07 schrieb Karl Janssen über
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Aus einer spezifischen Rahmenbedingung, die auf dem von Horkheimer/Adorno als
vernunftsorientiertem Herrschaftscharakter gründet, hat sich somit im Sinne der Dialektik
eine "Rückkehr der bereits aufgeklärten Gesellschaft zur Barbarei in der
Wirklichkeit" eingestellt. Das führte zwangsläufig zu einem Aufschwung der Mythologie
(was sich auf drastische Weise im Dritten Reich verwirklicht hat und aktuell an
faschistoiden Formen von Staats- und Kriegsführung zu sehen ist).
Moin Karl,
mit Bezug auf die damalige Arbeit an der Himmelsscheibe von Nebra haben Vorgeschichtler
einen Übergang vom Logos zum Mythos gesehen. Die Vorsokratiker nahmen später wieder einen
Übergang vom Mythos zum Logos vor. Droht uns im Zuge der Dialektik der Aufklärung — wie in
den 1930er Jahren — wiederum ein Wandel vom Logos zum Mythos?
Die Frage erhebt sich, ob diese Entwicklung durch
Selbstbesinnung und -kritik verhindert werden könnte. Darauf aufsetzend ebenso die Frage,
ob damit auch der offensichtlich zunehmenden Entwicklung eines libertären Autoritarismus
entgegen gewirkt werden kann, wie er sich nach dem Prinzip Actio gleich Reactio
mittlerweile auf beiden Seiten gesellschaftlicher Systems bei Regierenden und Regierten
auf bisweilen beunruhigende Art etabliert hat.
Aufgrund meiner Sympathie für die Kritische Theorie im Anschluss an Horkheimer/Adorno
hatte ich bereits in das Buch „Gekränkte Freiheit“ geschaut. So wie es Anfang der 1930er
Jahre den „autoritären Charakter“ gab, ist heute ein „libertärer Autoritarismus"
nachweisbar. Amlinger/Nachtwey haben dazu unter 1150 Querdenkenden eigene Erhebungen
durchgeführt und verweisen auf folgende Quellen:
How to Conduct a Mixed Methods Study: Recent Trends in a Rapidly Growing Literature:
https://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev.soc.012809.102657
<https://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev.soc.012809.102657>
Alles Covidioten? Politische Potenziale des Corona-Protests in Deutschland:
https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2021/zz21-601.pdf
<https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2021/zz21-601.pdf>
Weder Adorno/Horkheimer noch Amlinger/Nachtwey haben repräsentative Untersuchungen
vorgenommen, sondern lediglich Existenzbeweise geführt. Unter den 5202 befragen
Verstehenden der Covididioten wählen zwischen 20 und 30 % die AfD. Nimmt man diesen Anteil
im Vergleich mit den allgemeinen Wahlergebnissen der AfD als repräsentativ an, dann können
wohl rund 75 % der Wählenden als nicht „libertär autoritär“ angesehen werden. Die Mehrheit
ist damit nach wie vor eher demokratisch als autoritär eingestellt. Für mich bleibt die
Frage zu beantworten, ob wir im Vergleich mit den 1930er Jahren wieder vor einem
gesellschaftlichen Kipppunkt hin zu einem autokratischen System stehen?
Ingo