Hallo,
heute möchte ich ganz kurz einen Gedanken zum Thema "Lügen" ausformulieren.
Die Bewertung der Lüge durch die Moralphilosophen ist eigentlich
erstaunlich klar, wenn man die sonstige Uneinigkeit dieses Standes
bedenkt. Es überrascht aber weniger, sobald man sich ins Gedächtnis
gerufen hat, dass Philosophen eine Gruppe von Menschen sind, die sich
subjektiv der Wahrheit verschieben haben. Das Konzept der Lüge ist
ihnen daher natürlich nicht geheuer.
Es ist jedenfalls klar, dass die Lüge mit ganz unterschiedlichen
Begründungen abgelehnt wird, aber darin sind sich die verschiedenen
Denker einig. Einige argumentieren, die Sprache diene zur Übertragung
von Informationen und Lüge sei eben ein Missbrauch der Sprache.
Die andere folgern aus einer Fiktion, in der alle jederzeit lügen,
dass die Lüge ein Zustand ist, der sich selbst aufhebt.
Will man den Sachverhalt jedoch aus einer eher "naturalistischen"
Sichtweise betrachten, drängt sich einem ein völlig anderer Gedanken
auf:
Die Lüge ist kein Missbrauch oder eine zu kurzfristige Überlegung. Wir
sagen vielmehr eher die Wahrheit, um besser lügen zu können.
Betrachten wir eine Quelle, sei es ein einzelner Mensch oder eine
ganze Organisation, die andauernd und nur lügt. Ihre Äußerungen hätten
keinerlei erkennbaren Bezug zur Realität. Man würde diese Quelle
irgendwann vollständig ignorieren, sie als Informationsrauschen abtun
und sie höchstens für Interessant halten, um etwas über die Absicht
der Lügner zu erfahren.
Permanentes Lügen führt also dazu, dass der Lügner selbst nicht mehr
ernst genommen wird.
Als Kontrast dazu sehen wir uns eine Quelle an, die niemals lügt.
Natürlich wird auch diese Quelle Unwahrheiten verbreiten, aber nur aus
Irrtum, nach besten Wissen und Gewissen.
Diese Quelle hätte sowohl psychologisch als auch rational, man denke
an Bedingte Wahrscheinlichkeiten, eine hohe Vertrauenswürdigkeit.
Der Idealzustand für einen Lügner ist also nicht das ununterbrochene
Lügen, das seinen Ruf runiert, sondern eigentlich der Aufbau einer
hohen Vertrauenswürdigkeit. Erst in dieser Situation gewinnen seine
Lügen einen maximalen instrumentellen Wert.
Langfristig gesehen wird ein Lügner deshalb im Gegenteil versuchen,
immer möglichst wahre oder zumindest glaubwürdige Berichte zu geben,
denn nur auf diese Weg ist sichergestellt, dass er effektiv lügen
kann.
Es ist eine Sache von Wahrscheinlichkeiten.
Was denkt ihr?
Mit freundlichen Gruß
der Ratfrager.