Am 10.02.2021 um 13:50 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich
<dr.thomas.froehlich(a)t-online.de>de>:
Zusammengefasst geht unser qualifizierender Ansatz von vermuteter (und durch Beobachtung
von Wiederholung in Unterschiedenheit je zu beweisender) Eigenschaftlichkeit aus, während
der quantifizierende Ansatz die Gegebenheit einer jeweiligen Eigenschaftlichkeit
voraussetzt und innerhalb diser sowie innerhalb größerer, geteilter Eigenschaftlichkeit
Skalen anlegt.
Dabei ist die auf Eigenschaftlichkeit ausgerichtete Beschreibung bestenfalls imstande,
das Gegebensein abgrenzbarer (dynamisch gedachter) Identitäten zu behaupten. Die
quantitativen Aspekte zu erfassen, dazu bedarf es der messenden Beschreibung.
Das Nebeneinander und Miteinander beider Zugänge ist keine Frage des besseren oder
schlechteren Zugangs, beide Zugänge haben ihren Sinn und sind unverzichtbar - siehe
Brückeneinsturzgefahr….
Hi Thomas,
… Einsturz- bzw. Bruch- bzw. Verletzungsgefahr: wäre das nicht eine allem zukommende
Eigenschaftlichkeit? Im Prinzip kann alles zu Bruch gehen, vom winzigsten Spin-Netzwerk
auf dem Plankniveau über Tänzer und Brücken bis hinauf zum ganzen Universum. Das "zu
Bruch gehen können“ scheint mir die Konsequenz davon zu sein, dass es überhaupt etwas
gibt; denn alles was ist könnte wieder vergehen. "Sein oder Nichtsein“, das ist stets
die Frage.
Neben der qualitativen „Eigenschaftlichkeit“ päveriere ich die quantitative „Zahligkeit“;
die sich nicht im Quantifizieren durch Skalieren oder Messen erschöpft. Zahlen müssen
nicht schon wohlgeordnet strukturiert sein, ich kann sie kombinieren, permutieren,
continuieren, zufallsgenerieren und - aus ihnen beliebige Worte, Sätze und Sprachen
generieren. Meiner Ahnung nach sind die Logiken, Programmier- und Umgangssprachen nur ein
winzig kleiner Teil des unendlichen Zahlenuniversums.
Und so nehme ich an, dass wie die Qualität der Quantität auch die „Eigenschaftlichkeit“
der „Zahligkeit“ nachgeordnet ist. D.h. jeder Qualität liegt eine Quantitätsdifferenz oder
ein Schwellenwert zu Grunde. Auch dazu begannen die Untersuchungen mit der Psychophysik
bereits im 19. Jahrhundert. Ebenso wie die Potentialtheorie, die bereits George Green
begründete und die wenig später durch Gauss mit der Wahrscheinlichkeitstheorie verbunden
wurde; denn das Zeitintegral über die (räumlich) dreidimensionale, zeitabhängige
Gaussverteilungsdichte liefert gerade das Newtonsche Graviationspotential. Lesenswert
dazu:
Kai Lai Chung. "Green, Brown and Probability & Brownian Motion on the Line.“
Passend dazu die Irrfahrten im Dreieck Wolfgang Wössens zwischen Potential - Zufall -
Struktur:
https://www.math.tugraz.at/~woess/irrfahrten.pdf
<https://www.math.tugraz.at/~woess/irrfahrten.pdf>
Und natürlich fällt mir dazu wieder ein Beispiel aus meiner Studienzeit ein. In meiner
Abschlussarbeit im Bioingenieurwesen an der FH Hamburg befasste ich mich mit der
„Biomechanischen Analyse des vertikal schwingungserregten, sitzenden Menschen“: Besonders
in Arbeits-, Bau- und Lastfahrzeugen sind die Menschen auf ihren Sitzen Stoß- und
Schwingungsbelastungen ausgesetzt, die es zu simulieren gilt, um sie möglichst gering zu
halten. Dabei sind Schwingungsbelastungen in den Bereichen der menschlichen
Resonanzfrequenzen unbedingt zu vermeiden. Um das zu ermöglichen, hatte ich ein
mechanisches Sechskörpermodell entwickelt, dass die Schwingungsübertragung vom Becken bis
zum Kopf nachbildete.
Vertikal über das Gesäß des sitzenden Menschen übertragene Schwingungen regen den
Oberkörper zu erzwungenen Schwingungen an. Dabei treten bei 5 Hz
Resonanzuberhöhungen der Brust- und Baucheingeweide auf, bei 9 Hz scheint eine
Resonanzstelle des Beckens zu liegen und bei 20 Hz sowie um 40 Hz weisen
Wirbelsäulenabschnitte Resonanzfrequenzen auf. Die Eingeweidebewegungen führen in
Verbindung mit Becken, Wirbelsäule und Schultergürtel und unter Auswirkung auf den Kopf zu
unterschiedlichen Schwingungsübertragungen, in denen neben der jeweils ausgeprägten
Hauptresonanz eine zweite Resonanzstelle um 10 Hz zum Ausdruck kommt, die auf die
Beckenresonanz hinweist, und darüber hinaus verstärkte Schwingungen bei 35 Hz auf eine
Resonanz des Kopf-Wirbelsäulen-Bereichs hindeuten.
In der Praxis sind die Stoß- und Schwingungsbelastungen z.B. auf einem Trecker oder einer
Baumaschine im Querfeldein-Einsatz ähnlich vielfältig und zufällig wie die Fahr- und
Windbelasungen einer Brücke. Je besser die Sitze und Fahrzeugfederungen ausgelegt werden,
desto geringer die Wirbelsäulenschäden. Um Beurteilungskriterien für die Zumutbarkeit zu
erhalten, werden Belastungsversuche mit Freiwilligen durchgeführt, die gemäß Psychophysik
zwischen kaum merklich und unerträglich die Unterscheidungsschwellen anzugeben haben. So
wird es ja auch bei Hör- und Sehtests gemacht und - gilt das nicht für die Umgangssprache
insgesamt? Soweit ich das sehe, geht es bei derartigen Untersuchungen am Schreibtisch
(Potentialtheorie), mit dem Rechner (Simulationsmodell), im Labor (Belastungstests) oder
auf dem Feld (Echtzeitmessreihen) ausschließlich um „Zahligkeit“, der nachträglich
„Eigenschaftlichkeit" zugeordnet wird. Womöglich gilt das für unser Erleben des
Lebens überhaupt. Wobei einem biopsychosozialen Modell natürlich die physikalische Basis
fehlt …
Es grüßt,
Ingo