Am 01.06.2021 um 11:33 schrieb Ingo Tessmann via Philweb:
[Philweb]
Am 30.05.2021 um 20:40 schrieb Rat Frag via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Dürrenmatt, falls ihn noch jemand kennt, hat sich exakt mit diesen
Problem befasst und sich durchaus philosophische Gedanken gemacht. Es
gibt sogar eine Art antirationalistischen Krimi zu diesem Thema "Das
Versprechen". Ich kenne nur die Hollywood-Verfilmung.
Hi angeblich Ratloser,
der Vierheit von Gerechtigkeit und Gnade, Kausalität und Zufall folgend erschienen ja
zwischen 1951 und 1985 die Romane: Der Richter und sein Henker, Der Verdacht, Das
Versprechen und Justiz. Dürrenmatt - ebenso wie der Schweizer Frisch - zählt zu meinen
Lieblingsautoren. Beide waren philosophierende Schriftsteller und Peter Rüedi hat seine
Dürrenmatt-Biopraphie passend untertitelt mit: „Die Ahnung vom Ganzen“.
Dürrenmatt hatte seinen Roman „Das Versprechen“ ja ergänzend zu seinem Drehbuch verfasst,
das 1958 erstmals verfilmt wurde. Untertitelt hatte er sein Buch mit „Requiem auf den
Kriminalroman“. Das Schablonenhafte des Krimis war ihm schon damals auf den Wecker
gegangen und so ließ er seinen Kommissar am Zufall scheitern. Das war ganz in meinem
Sinne, als ich den Roman erstmals las. Die vielen Krimis in den Medien gehen mir bis heute
auf die Nerven und so hat Dürrenmatts Abgesang auf den Krimi offensichtlich nichts
bewirkt.
Aber wieso ist „Das Versprechen“ für Dich "eine Art antirationalistischer Krimi“?
Ich halte die Berücksichtigung des Zufalls für rationaler als seine Leugnung oder
Vernachlässigung, bestimmt er doch wesentlich die Natur insgesamt wie unser aller Leben im
Besonderen. Rüedi zitiert in seiner Biographie Dürrenmatt mit den Satz: „Gerechtigkeit,
Gnade, Kausalität, Zufall; diese Motive gehören bei mir zur gleichen Gedankenatmosphäre.“
Wenn sich darüber nicht trefflich philosophieren ließe!?
der dürre matt (ein ziemlich feister frischling) und frisch gehören auch
zur menge meiner liebingsautoren,
allerdings hab ich nicht heraus, ob als reminiszenz an die schulzeit,
als wir sie genüsslich "durchnahmen",
oder weil mich ihr schreiben-selbst beeindruckt ...
generell halte ich allerdings garnichts von "krimis" (in buchform und
filmen usw), denn sie sind heruntergebrochen immer dasselbe:
der vermeintlich ewige kampf gut gegen bös, transponiert in die welt des
erwachsenseins =
krimis in jeder form sind tatsächliche märchen für erwachsene, bei denen
natürlich das gute am ende immer gewinnt,
oder mindestens nur durch unglückliche zufälle -für einige zeit- unterliegt,
das ist an sich was ganz primitives, einfaches
(jeder krimi wie eine konserve, an der man sich von oben beginnend nach
unten durchfrisst,
und unten der bodensatz, den man von anbeginn schon vorher kannte,
heißt "das gute siegt")
damit hat das im weitesten sinn krimi-sujet allerdings sehr wichtige
stabilisierende funktionen in der realität, der lebenswirklichkeit,
und deshalb ist nicht zufällig die einschaltquote zb tv so hoch, immer
wenn mord+totschlag, leichensachen, aktenzeichen-xy, uä gebracht werden,
zu deren ende stets gehört, dass das wie-auch-immer-gute
gewinnt/triumphiert,
zumal "der verbrecher in uns" damit in die aussenwelt projiziert, und
dort für uns selbst schadlos erledigt wird
die polizei als steter nothelfer, und staatsanwälte, richter (stets in
schwarz) als gott-ersatz,
auch wenn das der lebensrealität noch so grotesk widerspricht
dürenmatts "abgesang auf den krimi" hat natürlich garnichts bewirkt,
denn "wir" erwachsenen brauchen kriminale märchen,
gerade in einer welt, die immer unübersichtlicher wird,
wie kinder halt ihre fein-ordentlichen kindermärchen !
wh.
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