Am 06.07.2022 um 17:13 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
Wir schreiben hier in der Liste seit über 25 Jahren
immer wieder über
Information — und offensichtlich nach wie vor aneinander vorbei. Die
Kontrahenten Janich und Ropohl waren bereits weiter gekommen. Solange
nicht ernsthaft versucht wird, anstatt dogmatisch und ideologisch
einmal vereinheitlichend und nachvollziehbar über Information zu
schreiben, wird sich das wohl nicht ändern — und mich langweilt das.
Vereinheitlichende Ansätze zum Verständnis von Information gibt es in
der Wahrscheinlichkeitstheorie, in der Situationstheorie, in
Flückigers Beiträgen zur Entwicklung eines vereinheitlichten
Informations-Begriffs, in Beviers Informationsmathematik oder bspw. in
der Prozessauffassung von Information:
it: „Du beklagst den Verlust an Transzendenz. Das Verschwinden
esoterischer, spiritueller oder religiöser Transzendenz sähe ich als
Gewinn. Das habe ich wohlweislich im Konjunktiv formuliert, denn
weltweit gesehen wird Transzendenz nicht verbannt, sie nimmt zu und
gerade wieder wird in der Ukraine ein „heiliger" Krieg geführt. Für
ebenso abwegig wie das Festhalten an überhöhter Transzendenz halte ich
jegliche Verabsolutierung. Die Natur bedarf ihrer so wenig wie uns. Wir
werden uns wahrscheinlich mit vielen anderen Lebewesen auf der Erde
selbst ausrotten, aber die Natur wird einfach weiter evolvieren. Unser
Thema war aber nicht Verantwortung, sondern Information.“
Nun, explizit habe nicht ich den Verlust von Transparenz beklagt,
sondern Hans Jonas (indirekt) zitiert. Doch es liegt natürlich nahe,
dass ich diesen Verlust ebenso bedauere; nicht für mich, sondern für die
Gesellschaften dieser Welt.
Wenn man wie Du und wohl auch Waldemar mit Transparenz nur die
entsprechenden Ausprägungen (um nicht zu sagen Auswüchse) in Religion,
Esoterik oder sonstig spirituellen Gruppierungen (Sekten etc.) meint,
dann wäre in der Tat deren Verschwinden ein Gewinn für die Menschheit.
Ich verstehe unter Transparenz etwas anderes, nämlich im Wortsinne ein
gedankliches „Übersteigen“ der pur materiellen Gegenstandswelt, die ich
selbstredend nicht infrage stelle (wie könnte man das auch tun!?). Für
mich gibt es eben nicht nur Materie und sie ist für mein Dafürhalten
auch nicht Ursache für ein Geistiges, wohl aber ihr Träger.
Du zitierst Adornos Vorstellung der gegensätzlichen Begriffe: „Der
Immanenz ist die Transzendenz immanent“ und findest Deine eigene darin
bestätigt.
Erstaunlich für mich, da es ja genau auch meiner Vorstellung entspricht:
Die gegenständliche Welt ist durchdrungen von Geist, womit ich mich
nicht auf einen (wie immer formulierten) Pantheismus beziehe, sondern
mich eher an zeitgemäßen Theorien, wie etwa Whiteheads Prozessphilsophie
orientiere. Ich hatte in diesem Zusammenhang schon Leó Szilárd, Wigner
erwähnt, die mir entsprechende Denkanstöße gegeben haben. Wenn ich hier
Henry Stapp anführe, kommt sehr sicher Gegenrede der üblichen Art.
Warum der üblichen Art? Sie muss erfolgen, da Du keinen Bezug zu diesem
Denken, zu einer Sichtweise hast, die eben über das methodische
Verstehen von „Gott und Welt“ hinausgeht, sie quasi übersteigt.
Dennoch ist Gegenrede enorm wichtig, da sie als Korrektiv wirkt (wie
ich’s so oft betont habe). Auf unsere geführten Dispute hier bezogen
heißt das, dass (zumindest ich) damit immer wieder angehalten bzw.
ermuntert werde, meine Ansichten zu überdenken - mehr noch – überhaupt
die Dinge neu zu denken.
Immer wieder als der hoffnungslose, weltfremde Idealist, gar noch als
Katholik, abgestempelt zu werden, könnte auch mich (mindestens)
langweilen aber eher doch frustrieren, man könnte auf die Idee kommen,
derartige Diskussionen tatsächlich hier einzustellen, da es immer auf
die Darstellung fundamental gegensätzlicher Weltsichten hinausläuft, ja
hinauslaufen muss!
Das Problem dieser Liste ist, dass i.W. nur zwei weltanschauliche
Positionen diskutiert werden, da es zu wenige aktiv an Diskussionen
Teilnehmende gibt, die auch andere „Zwischentöne“ einbringen könnten.
Thomas gibt immer mal wieder ein gutes Beispiel, sich abseits von
ideologischen Positionen den wirklichen Grundsatzthemen zu widmen. Diese
Themen sind komplex und nicht mal eben mit ein paar Mails oder
Literaturhinweisen behandelt. Vielleicht überfordert das generell eine
Mailling-Liste.
Philweb erhebt in ihrem Impressum keinen Anspruch auf
Wissenschaftlichkeit, sie ist nicht auf derartige Themen festgelegt,
sieht diese aber im philosophischen Kontext angesiedelt.
Das Internet ist voll von Foren und Blogs und man findet dort auch immer
wieder die gleichen Diskussionen, mit den üblichen „Revierkämpfen“ und
Psychologismen. Irgendwie glaube ich, konnten wir philweb bislang davon
(wenngleich nicht gänzlich) fernhalten.
Wenn es in dieser Liste also auch um einen Bezug zu Philosophie geht, so
sollte akzeptiert werden, dass dieser auch in Diskussionen eingebracht
wird; das betrifft dann selbstredend auch die Metaphysik.
Nun also nochmal zu Information.
it: „Wir schreiben hier in der Liste seit über 25 Jahren immer wieder
über Information — und offensichtlich nach wie vor aneinander vorbei. …“
Ja so ist es und wie sollte es sich denn auch ändern, wo dieser Begriff
schlichtweg nicht in eindimensionaler Konsistenz definiert ist. Das
zeigt doch das von Dir hier verlinkte Dokument der Uni Regensburg im
Eingangs-Statement:
„Dass der Informationsbegriff noch der Klärung harrt, hat sich
exemplarisch an der Debattegezeigt, die in der Zeitschrift „Ethik und
Sozialwissenschaften“ geführt wurde. Sie wurde voneinem Fachbeitrag von
Peter Janich [Janich 98]3 eröffnet, in dem eine neue Sicht auf
denInformationsbegriff vorgeschlagen wurde…“
it: Anstatt Information substantiell verabsolutieren zu wollen, ist sie
zunächst in vielfältiger Weise nachvollziehbar zu abstrahieren, um dann
zu schauen, wie sie vereinheitlicht werden könnte. Ansonsten bleibt das
viele Geschreibe von Information Ideologie oder bloß eine Mode.“
Wir beide werden es nicht vermögen, dieses Versäumnis einer Definition
des Informationsbegriffs zu beheben. Und wenn Janich (als Philosoph)
heftige Kritik an der technozentrischen Interpretation des
Informationsbegriffs übt, zeigt das doch exakt die Problematik einer zu
vereinheitlichenden Begriffsdefinition auf. Man wird niemals die
philosophisch orientierte Sicht auf Information mit der üblich
technozentrischen verbinden können, d.h. diese zu einem
vereinheitlichten Begriff zu entwickeln.
Aus kommunikationstechnischer Sicht ist die Prozessauffassung von
Information schlichtweg usus und trivial, da braucht es keine weitere
Überlegung. Im Bereich der Biologie ist sie ebenso verankert (soweit ich
das beurteilen kann).
Dazu würde ich gerne einen Gedanken anführen, der eben nicht einer
„Verabsolutierung“ entspricht, sondern eher an Waldemars Lieblingsthema
der Autopoiesis resp. Selbstorganisation (als eben Prozessauffasung von
Information) anknüpft:
Nehmen wir ein Paramecium (Gattung der eukaryotischen, einzelligen
Ciliaten), das sich in einer Brackwasserlache auf ein Hindernis zu
bewegt. Dort angestoßen, registriert es der Einzeller und speichert
diese Information (wo auch immer) ab, um diese Stelle beim nächsten
Anlauf zu meiden. Auf diese Weise bildet sich ein Bewegungsmuster, das
diesem hirnlosen Wesen zur Koordination seiner künftigen Fortbewegung dient.
Biologie, da stehe ich auf sehr schwachen Füßen, aber dieses Beispiel
lässt an eine technische Anwendung denken, die ich bei einem
Staubsauger-Robot gesehen habe: Das Teil fährt zuerst völlig ohne
Koordination durch ein Zimmer, sobald es auf ein Hindernis trifft, wird
dieses abgespeichert (hier weiß ich, wie Speichern funktioniert :-)).
Ist der Roboter durch alle Winkel des Raumes gelaufen, hat er einen
kompletten Raumplan angefertigt und (abrufbar) abgespeichert, was beim
nächsten Durchlauf nahezu jede Kollision mit Tischbeinen oder Wänden
ausschließt. Das ist für mich ein anschauliches Beispiel für
Selbstorganisation, die ein exaktes Raum- und Ablaufschema eines Zimmers
erstellt. Nebenbei: dass dieser maßstäblich korrekte Raumplan (samt
Sprachaufzeichnung) entweder in China oder Amerika landet, darf einen
nicht stören. Ich habe vorsorglich die Internetverbindung mit dieser IP
unterbunden, da ich diese Information nicht in „andere Hände“
transferiert haben wollte. Es geht also (wieder einmal) um Information,
genauer gesagt Form und Information. Der erstellte Plan gibt Auskunft
(Information) über die Form eines Raums (und mit der IP zudem
Information über die nähere geografische Umgebung).
Was wie ein blinder, iterativer Ablauf eines durch ein Zimmer laufenden
Roboters aussieht, entpuppt sich als prozessbezogene „intelligente“
Form und Informationsbildung.
Ich denke, dass dieses dem natürlichen evolutionären Geschehen von
Lebensbildung und – erhalt gleicht: Einfach ausgedrückt: Wenn ein
Hindernis unüberwindbar ist, wird es solange umgangen bis sich ein
passabler Weg findet. Der wird dann zum „Lebensweg“ oder modern
ausgedrückt zur individuellen „Worldline“. Cause and Effekt – als
klassisch buddhistische Perspektive. Das mit dieser fernöstlichen
"Philosophie" der Appell für weitest mögliche Hindernisvermeidung
einhergeht, würde in der Tat weniger Probleme mit unserer technisierten
Welt herbeiführen. Fraglich bleibt, was dann noch vom Leben bleibt.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl