Lieber Herr Janssen,
Sie beschreiben treffend die Unterschiede beider Zeitauffassungen, und lieber Herr Hammel,
Ihr Hinweis auf die vielen Eigenzeiten z. B. in unserem Körper ist in meinen Augen sehr
berechtigt.
Tatsächlich sind die beiden Zugänge zu Zeit und Zeiten nicht direkt ineinander
überführbar. Der bottom-up-Ansatz beginnt beim Jeweiligen und nimmt Vereinigungen dieses
„Feinkörnigen“ Jeweiligen zu Gesamtheiten nicht für selbstverständlich (kein gutes
Deutsch, ich weiss), sondern an eine zu unterstellende Vermittelbarkeit und inhärente, dem
Grundsatz nach im je Eigenen der Möglchkeit nach vorhandene Vereinbarkeit geknüpft.
Ganzheit entsteht dann stets unter der Bedingung einer überhaupt gegebenen
Anschlussfähigkeit der jeweiligen Elemente (als Prozesse gesehen).
Diese als gegeben vorausgesetzt, können dann innerhalb der qualifizierten Ganzheiten
Skalen angebracht werden, so auch die der Dauer, der Geschwindigkeit, der Masse, der
räumlichen Distanz, der Intensitäten etc.. Indem als GAnzheit „das Universum“ genommen
wird, kann innerhalb dieser unterstellten Ganzheit quantifiziert werden, z. B. bis
hinunter zum Planckschen Wirkungsquantum.
Während der bottom-up-Ansatz Raum und Zeit (oder, etwas kitschig ausgedrückt, aber in
Anwendung einer Prozess-Logik: das Räumen und Zeiten) als zusammen mit dem Jeweiligen
entstehend ansieht (dann als dessen Eigenraum und Eigenzeit) und nicht imstande ist, auf
seiner Fortschreibung einen äußeren Raum und eine äußere Zeit bereits als Vorgegeben
mitzudenken, scheitert der top-down-Ansatz auf seiner Endstrecke, indem er nur fähig ist,
ein Jeweiliges als Fortschreibung des Vielen, Umfassenden, Überwölbenden zu sehen, womit
er das Eine als Eines von Vielem ansieht und nicht fähig ist, das Einmalig-Sein,
Besonders-Sein, Jeweilig-Sein, Nicht-Austauschbar-Sein dieses Jeweiligen Einen gedanklich
adäquat zu erzeugen.
Knapp gesagt: wer von einer angenommenen Ganzheit ausgeht, kann das Element nur aus der
Sicht dieser Ganzheit sehen. Wer vom Element ausgeht, kriegt eine wirklich homogene,
grundsätzliche Ganzheit nicht in den Blick, bzw., beide Zugänge haben ihre grundsätzlichen
Schwächen je auf der Endstrecke….
Ich denke, wenn wir nüchtern diese jeweiligen Stärken und Schwächen des
von-unten-nach-oben und des von- oben-nach -unten Zugangs benennen und sie uns gedanklich
herleiten, verstehen wir das Verhältnis von Qualität zu Quantität besser und sind nicht
genötigt, das eine gegen das andere auszuspielen - was sowieso, siehe die vorangehenden
Überlegungen - nicht funktioniert.
Mal ist der eine besser geeignet, mal der andere.
Beste Grüße, nochmals Danke für die Aufnahme von Gedanken ins eigene (jeweilige, nicht
austauschbare…) Denken,
Thomas Fröhlich
Am 13.01.2021 um 16:36 schrieb waldemar_hammel via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
[Philweb]
Von: waldemar_hammel <waha3103x(a)googlemail.com>
Betreff: Aw: [Philweb] Wer bin ich - wer sind wir
Datum: 13. Januar 2021 um 17:11:18 MEZ
An: "K. Janssen" <janssen.kja(a)online.de>
Kopie: philweb <Philweb(a)lists.philo.at>
Am 13.01.2021 um 14:57 schrieb K. Janssen:
Thomas F. erwähnte hier zuletzt den Zeitbegriff und differenzierte diesen als einerseits
einen inhaltsleeren, rein quantitativen zur Zählung/Messung essentiell erforderlichen und
anderseits einem Zeitbegriff, der die „feinkörnig-spezifische Qualität von Augenblicken,
Ergeignissen etc.“ zu erfassen vermag.
Sofern ich das richtig interpretiere, ist damit (eine Brücke bildend) treffend
ausgedrückt, was ich mit unserer beiden grundsätzlich! unterschiedlichen Sichtweise (eben
auch auf Emergenz) meine.
Während Du (als Planck-Anhänger) die Dinge der Welt bis auf die Plancklänge
heruntergebrochen abzählen resp. vereinzeln willst, also nicht oder kaum Deine
Gedankenwelt rein quantitativer „Raumzeitlichkeit“ verlassen willst/kannst, ist meine
Perception generell zunächst von einem „ganzheitlichen“ (wie abgedroschen dieses Wort nun
auch ist!!) Eindruck der gegenständlichen Lebenswelt bzw. dem Blick darauf geprägt.
ja ja, ich hab die diskrepante herangehensweise von und beiden schon verstanden,
während du das ganze top-down ergründen willst,
gehe ich den umgekehrten weg, von planck an aufwärts,
und, konservativ muss ich dir recht geben
oder, wie feyman einst sagte, "there's plenty of place at the bottom"
der haken dürfte sein:
man kann von planck aufwärts gehend, wenigstens metasprachlich welt beschreiben,
von ganzheitlich anfangend sehe ich das aber nicht, da kann man wohl nur
"metaphorisch" weiterkommen,
zb in form von wie auch immer gearteten "gleichnissen" oder so
aber interessant und irgendwie auch doof:
du: gott ist, ich: gott ist nicht,
du: emergenz gibts, ich: emergenz gibts nicht,
und es gibt bestimmt noch mehr solcher antithetischer paarungen bei uns
---
wie gelangen wir aber zu syn-thesen unserer beider anti-thetischen vorstellungen von
welt,
denn das ist ja der gegenstand und sinn von disputen ?
und erst dann enden dispute fruchtbar !
und wir leben ja schließlich beide in der ein und selben welt,
über die wir uns doch eigentlich irgendwie einigen können sollten ?.
*
"zeit" ?
ich warne bzgl zeit vor fast allen aussagen dazu,
es gibt alleine in unserem körper ungezählte unterschiedlich laufende uhren,
von uhren des stoffwechsels, die mikro- und milli- sekunden messen müssen,
bis hin zu hirngetriggerten unterschiedlich laufenden uhren,
bis hin zu hirnuhren, die zb "lange-weilen" messen müssen, bei denen einem 1
stunde wie ein halber tag vorkommt,
und es gibt dazu auch richtige "täusch-uhren" in unserem körper und geist,
die zeiten nach belieben rückdatieren können, zb gedächtnis-uhren,
und jene uhr, die durch rückdatierung uns ständig einen "freien willen"
vormacht (libet et al)
(der freie wille ist garantiert auch eine these/antithese zwischen uns beiden, stimmts?)
---
am besten auch hier:
man beschränkt sich metasprachlich auf die planckuhr, und viel mehr weiß man halt nicht
...
Bester Gruß an Dich und die Runde,
wh.
--
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