Am 23.05.21 um 14:40 schrieb Landkammer, Joachim via Philweb:
Joachim Landkammer:
Aber dann bin ich hier vielleicht wirklich falsch, bzw. muß mich erst
anderswo "schlau machen" (wie man ja so leichthin sagt), bevor ich hier
wieder mitreden/-schreiben kann.
JH
Hier sind meine Vermutungen zu einem Teil-Aspekt der Frage:
1. Mathematik ist zu einer großen Sammlung von Formeln geworden, und
mehr noch.
2. Für Mathematik gibt es kein Ende, d.h. es kann immer mehr gefunden
werden, immer mehr geschrieben werden.
3. Mit einem begrenzten Teil von mathematische Formeln können nach
Einsetzen von physikalischen Größen in diese Formeln physikalische
Abhängigkeiten beschrieben werden, was nichts anderes heißt, dass von
der Existenz der einen Größe auf die Existenz der anderen geschlossen
werden kann. Es kann auch komplizierter sein als diese erste Annäherung.
Aus 1. ergab sich, dass die Beschäftigung mit Mathematik überaus viele
Fähigkeiten verlangte, so dass vor hundert Jahren schon einige sich
gegen das Neue mit dem Argument wehrten, das sei alles nicht
anschaulich, sogar ein Nobelpreisträger war unter ihnen. Die Antwort
war, dass die Anschaulichkeit zu dem Zeitpunkt eben schon flöten ging.
Und von der Nicht-Anschaulichkeit war gleichzeitig mit der Mathematik
die Physik betroffen.
Aus 2 ergibt sich, dass immer weniger Personen mathematisch Schritt
halten können.
Aus 2. und 3. ergibt sich: Je mehr physikalische Abhängigkeiten mit
Mathematik beschrieben werden können, um so schwieriger wird es, die
physikalische Welt zu verstehen, im sehr kleinen wie im sehr großen. Und
die Zahl von denjenigen, die beides denkend nachvollziehen können, wird
nochmals geringer.
Joachim Landkammer:
Ich hatte ja nur gedacht: wenn ein Literat (!) in einem großen Artikel
im FAZ-Feuilleton (!) eine (relativ) neue (meta-?)physikalische bzw.
mathematische Theorie präsentiert, beschreibt und verteidigt, dann
besteht vielleicht eine gewisse Pflicht, auch als nicht spezifisch
naturwissenschaftlich professionalisierter Normal-Gebildeter sich um ein
Verstehen und Einschätzen dieser Sache zu bemühen bzw. ggf. dem
Nicht-Verstehen durch nachholende Lektüre abzuhelfen.
JH:
Hier sind Mühen wohl vergebens, auch für mich sehe ich das so. Ich
bleibe gerne auf der Seite der Ignoranten.
Joachim Landkammer:
„physikalische bzw. mathematische Theorie“ ...
JH:
Es muss wohl offensichtlich gedacht werden, dass es sich um eine
mathematische Fortschritte handelt, für die es kein Ende gibt.
Diejenigen, die so hoch hinaus gehen, gehen können, gehen dürfen,
erhoffen sich daraus auch Verbindungen zur physikalischen Ebene, also
dass sich daraus z.B. Abhängigkeiten zwischen Größen ersichtlich werden.
Sie mögen diese Hoffnungen durchaus haben. Aber wenn die zu dem
Zeitpunkt ersichtlichen Hoffnungen sich nicht bestätigen, bleiben es
„nur“, aber das ist auch schon beachtlich, mathematische Fortschritte,
und an diesen habe ich keinen Grund, zu zweifeln.
Ingo Tessmann:
„Mit der von Eilenberg und MacLane 1942 in "GENERAL THEORY OF NATURAL
EQUIVALENCES“ den Weg gebrachten Kategorientheorie gelang Alexander
Grothendieck eine Verallgemeinerung der Algebraischen Geometrie, die
wesentlich dazu beitrug, dass Andrew Wiles 1994 Fermats letzten Satz
beweisen konnte.“
JH:
Das ist ein vermutlich ein gutes Beispiel: Dann gab es 1942 einen
„mathematischen“ Fortschritt, der viele Jahre später in der Mathematik
angewandt werden konnte, es war eine mathematik-interne Angelegenheit,
welche die Physik nicht tangierte.
Ingo Tessmann:
Und wenn ich an die Physik denke, dann gibt es bereits sogenannte
topologische Materialien, in denen bisher nur aus der Mathematik
bekannte Effekte nachgewiesen werden konnten.
JH
Dieser Satz müsste wahrscheinlich umgeschrieben werden, in dem Sinne,
dass neue mathematische Modelle Beschreibungen von bestimmten
Materialien ermöglichen, so dass Berechnungen mit ihnen möglich sind.
Auch wenn es mehr als Beschreibungen sein sollten, ist zu erkennen, dass
eine klare Trennung zwischen Mathematik und Physik vorliegt, und dass
sie nicht zusätzlich gemacht werden braucht. Anderenfalls verschmiert
sich Mathematik und Physik in einen Einheitsbrei.
Karl Janssen:
Streng definiert wird die Homotopie als Beziehung zweier Abbildungen
(siehe oben: Morphismen) zueinander, bei der eine Familie von
Abbildungen zwischen diesen Abbildungen existiert (das ist dann die
Homotopie)
JH
So gesehen bleibt sie in der Mathematik, denn es gibt auch interne
Beschreibungen in der Mathematik, etwa als Isomorphismen. Wenn ich das
richtig bzgl. Homotopie verstehe. So lange diese in mathematischen
Konstruktionen ist, hat sie noch keine Beschreibungsfunktion für äußere
Sachen, etwa physikalische.
Joachim Landkammer:
Es sei denn, es kann mir hier tatsächlich vielleicht doch jemand sagen,
worum es hier geht und was sich "konkret" mit dieser neuen (?) Theorie
anfangen, verstehen, beschreiben, erklären läßt.
JH
Mit der obigen Bemerkung, nach der die Anschaulichkeit nicht mehr
garantiert ist, kann ich keine entsprechende Erklärung verlangen. Ich
kann jedoch fragen: „Ist Hott zu 99,9% ein mathematischer Weg, der zu
wie viel Prozent einen Aha-Effekt bei Mathematikern auslöst, zu wie viel
Prozent einen Eureka-Effekt, dasselbe zu wie viel Prozent bei den
Physikern, und ob zur Zeit je nach Mathematiker zwischen 0,1 und 5%
Hoffnung besteht, dass die entsprechenden mathematisch Formeln (und
Kenntnisse?) eine „reale“ Ebene beschreiben können. Ich gehe also immer
noch von zwei Ebenen aus, die sich nicht berühren, sondern auf denen es
korrespondierende Sachen (Größen und Funktionen) gibt. Liege ich damit
falsch?
Karl Janssen:
Geometrie und Topologie sind engstens mit dem Grundlagenwissen moderner
Physik verflochten.
JH
Was heißt das, verflochten? Jedenfalls tut so ein Satz, als wäre nicht
auf der einen Seite Beschreibung, auf der anderen die Sache.
Sätze, die meine obigen als unwürdig ansehen, kann ich nicht
kommentieren, wenn ich sie nicht verstehe, ich lasse mich innerhalb
meiner Fähigkeiten gerne belehren.
Joseph Hipp