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Am 02.06.2024 um 20:56 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
kj: In fernöstlicher Sicht ist es die „Mutter der tausend Wesen“ (Tao te King), als eine
ebenso anmutige, wie auch zutiefst zutreffende Analogie. Und wer sich nicht entscheiden
Yin-Yang in der aumkreisung als Ganzheit.
Wenn ich das alles denken könnte, wäre ich bestimmt glücklich.
Darüber kannst Du erst (nach-)denken, wenn Du die Schriften gelesen hast. Jetzt
hole ich das Büchlein eben her und zitiere:
Kap. 6) „Der Geist des Tales ist unsterblich: er heißt das dunkle Weibliche./Des dunklen
Weiblichen Pforte, sie ist des Himmels und der Erde Wurzel. / unaufhörlich, immerwährend,
wirkt es ohne Mühe.“
Als ich diesen Passus vor vielen Jahren zum ersten Mal las, wurde mir sofort klar, dass
fernöstliche Spiritualität im Grunde kompatibel zur westlich christlichen ist. Allerdings
nur im Grunde, weswegen ich vorhin schrieb, dass das anthropomorphe, patriarchale
Gottesbild der christlichen Religion als obsolet anzusehen sei. Gott ist kein ER, sondern
eine Wesenheit, die man zwar als Vaterfigur sehen kann oder eben als Mutterfigur - eben in
Anlehnung an das Tao Te King: „Die Mutter der tausend Wesen“ s.o.
Eine "intelligible Kraft" ... wie die
"reine Vernunft"?
s.o.
Eine kosmische Intelligenz ... mit wie hohem IQ?
s.o.
Ein "unbegrenztes Wissenspotential" ... wie
es in der Universalbibliothek des Jorge Luis Borges vorliegen würde?
ja, eben so oder auch als Akasha-Chronik, wenn wir schon bei Esoterik sind.
Ein "Vater-Bild, resp. eine Vaterfigur" ...
müsste es dann nicht gemalt werden können?
Wurde und wird tausendfach gemalt, das mir eingängigste Bild ist in der sixtinischen
Kapelle des Vatikan zu sehen. Michelangelos bestes Werk!
Wenn ich das alles verquicken könnte, könnte ich das
aushalten?
Wenn Du mit „Verquicken“ Verstehen meinst, dann kannst Du es aushalten. „Wenn Du wirklich
weisst …, hast du Freiheit, eben auch des Denkens und ohne jegliche Beschränkung.
Fernöstliche nennen es Erleuchtung; Wir sagen plump, es ginge ein Licht auf.
Unterschiedliche Worte, die aufs Gleiche hinaus laufen. Konvergenz im Sinne des Teilhard
de Chardin.
Zurück zu Erich Fromm, der hier irgendwie beachtet
wurde. Er definierte zwei Arten Autorität. Hat das zuvor mit Autorität und Überlegenheit
zu tun?
---------- Zitate-Anfang
Aber es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einer
Überlegenheits-Unterlegenheits-Beziehung, die man als eine rationale Autoritätsbeziehung
bezeichnen, und einer solchen, die man als hemmende Autoritätsbeziehung beschreiben kann.
.
ein eingängiger Begriff der Psychologie.
..
Je mehr der Schüler lernt, um so schmaler wird die Kluft zwischen ihm und seinem Lehrer.
Er wird dem Lehrer immer ähnlicher. Mit andern Worten, die Autoritätsbeziehung zeigt die
Tendenz, sich aufzulösen. Dient dagegen die Überlegenheit der Ausbeutung, wird der Abstand
auf die Dauer immer größer.
...
Wenn der, der mich beherrscht, ein so prachtvoller oder vollkommener Mensch ist, dann
brauche ich mich nicht zu schämen, wenn ich ihm gehorche. Ich kann ihm ja doch niemals
gleichkommen, weil er so viel stärker, klüger und besser ist als ich.
Ich habe Jahrzehnte in leitender Funktion gearbeitet und mich nie als prachtvoll oder
vollkommen gesehen, habe zu keiner Zeit blinden Gehorsam erwartet oder eingefordert. Wenn
diesbezüglich schon das Sprichwort „Ober sticht Unter“ gelten sollte, dann allenfalls in
dem Sinne, dass ersterer hinreichenden Überblick des betrieblichen Geschehens haben
sollte, den ihm geradewegs seine untergebenen Mitarbeitenden verschaffen sollten, um eine
Entscheidung zum Vorteil aller treffen zu können. Da gibt es idealerweise kein Schämen
oder eine Überlegen-, resp. Unterlegenheitsbeziehung. Idealerweise, das heisst allerdings
auch, dass diese Beziehungen in vielen Bereichen der Arbeitswelt leider existieren.
Bei dieser den anderen hemmenden Art der Autorität
wird daher der Haß oder die irrationale Bewunderung und Überschätzung der Autoritätsperson
sich ständig vergrößern. Ein rationales Autoritätsverhältnis wird dagegen im gleichen
Verhältnis abgebaut, wie der der Autorität Unterworfene selbst stärker und daher der
Autoritätsperson ähnlicher wird.
..
Fromm beschreibt hier die üblichen Mechanismen psychosozialer Verhältnisse, wie diese sich
in Autoritätsverhältnissen vornehmlich in der Arbeitswelt entwickeln.
Damit nimmt er Formen der heute vorherrschenden neoliberalen Herrschaftssysteme in
Arbeits- und gesellschaftlicher Lebenswelt voraus. Diese Herrschaftssysteme sind nicht
mehr vordergründig repressiv, sondern subtil seduktiv. So verführt eine übergeordnete
Instanz Untergebene durch das Angebot, sich selbst als unternehmende Person zu entwickeln,
quasi sein eigener Chef zu sein und somit alle Kraft für ein gemeinsames Unternehmen
aufzubringen. Das wird heute durch Homeoffice noch verstärkt. Da ist dann keine
unmittelbar sichtbare, disziplinierende, eben unterdrückende vorgesetzte Person vorhanden,
der man direkten Widerstand entgegen setzen kann.
Es ist eine subtil angelegte Form neoliberaler Ausbeutung, die heute von vielen
arbeitenden, quasi sich selbst ausbeutenden Menschen zu erleben und zu erdulden ist und
sich dabei womöglich am Ende noch selbst beschuldigen und schämen. Durchaus ein perfide
ausgeheckter Mechanismus, der den hergebrachten Klassenkampf in einen inneren Kampf von
Mitarbeitenden verlagert, insoweit diese „Herren und Knechte“ ihrer selbst sind.
Am 02.06.24 um 18:07 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb:
So denke ich, es ist mehr Provokation eines
Atheisten, der damit einmal mehr jeglichen Gedanken an eine intelligible Kraft und damit
jeglichen transzendenten Schöpfungsgedanken im Keim ersticken will.
...
doch ich bin überzeugt von der Existenz einer
kosmischen Intelligenz, deren unbegrenztes Wissenspotential in Informationspeichern des
Universums (etwa in Ereignishorizonten schwarzer Löcher) abgelegt ist.
...
Dabei bietet doch die moderne Astrophysik
inzwischen eine Sicht auf Welt und Kosmos, die das Bild von einem Gott auf Wolke Sieben
(als Himmel vorgestellt) obsolet werden lässt. Dieser solchermaßen angenommene Gott ist
eben kein Mensch (ansonsten er kein Gott wäre) und es ist auch kein ER, sondern ein
Vater-Bild, resp. eine Vaterfigur.
...
.
An Stelle der offenen Autorität regiert jetzt die anonyme Autorität. Sie tarnt sich als
gesunder Menschenverstand, als Wissenschaft, als psychische Gesundheit, als Normalität
oder als öffentliche Meinung. Sie verlangt nichts als das, was »selbstverständlich« ist.
---------- Zitate-Ende
Sollte Erich Fromm den Nagel auch nur ein wenig getroffen haben, so entsteht doch die
Frage: Kann ich nur vor der Autorität niederknien? Immer wieder sagen, wie geistesschwach
ich gegenüber Einstein bin. Hat mein Leben dann überhaupt einen Wert?
Einstein war und ist Einstein. Ein Genie in einer spezifischen Sparte des Wissens. Du
musst gar nicht Einsteins Geniestreich wiederholen, es genügt, sein e=mc^2 zu verstehen
und nicht mal das ist zu einem erfüllten Leben erforderlich. Wieviel „wertlose“ Leben
müsste es geben, weil das Wissen dieser Welt nicht gewusst oder begriffen ist? Da geht es
auch um den signifikanten Unterschied zwischen Wissen und Begreifen!
Obwohl Karl eine Sorte Tier haushoch (die Elefanten?)
über den anderen Tieren sieht, wie hoch ist dann der Abstand bis zur "kosmischen
Intelligenz"? Vielleicht hat Karl mich überzeugt: Ich will auch in den Schatten
dieser Größe kommen, wenn es zu warm ist, oder in die Leuchtkraft, wenn es dunkel ist.
Womit fange ich nur an? Aber mich verbrennen wie die Motten um das Licht will ich nicht.
Mea culpa - ich bin mir schon meiner abstrakt und vermutlich auch bisweilen schwer
verständlichen Beitrage bewusst. Wem es zu bunt wird, liest einfach darüber hinweg oder
besser noch, bringt sich selbst in eigener Diktion hier ein.
KJ
PS: ach so, noch zur Frage des Abstands zu kosmischer Intelligenz. Da gibt es keinen
Abstand. JAHWE - ich bin da!
Man kann zu jeder Zeit, an jedem Ort damit in Verbindung treten, quasi in Resonanz kommen,
Das setzt jedoch eine geeignete „Wellenlänge“ voraus, sonst wird aus Interferenz Dissonanz
oder einfach „Rauschen“.
JH
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