... und hier Teil 2 (am besten das zerfletterte Zeug der ersten Sendungen gleich löschen)
Teil 2 zum Beitrag "Die zwei Seiten der Aufkärung"
In unserer Zeit geht es nicht mehr explizit um die Herrschaft der Gesetze sondern um die
Herrschaft von Menschen über Menschen mit den Mitteln moderner
Kommunikations-/Informationstechnik und den damit betriebenen Medien. Es besteht also
wiederum Herrschaft über Menschen, gleichsam als eine vierte Macht der Gewaltenteilung.
Als ein Instrument der Medienmachtwird gnadenlos im Sekundentakt das Unheil in aller Welt
gesucht und dem Menschen "vor die Füße geworfen" und dieses Unglück mal als
stereotypes Klischee drohender Weltuntergangs-Szenarien, mal im Sinne eines
"Weltrettungsethos" erklärt. Auf manipulative Weise, im geschickt boulevardesken
Narrativ
(Storytelling) oder gewissenloser Desinformation werden neben Emotionen auch niedere
Instinkte wie Missgunst, Zynismus, Hass und Rassismus geweckt, werden damit auf beiden
Seiten der politischen Extreme Ressentiments geschürt und Feindbilder geschaffen. Wer
(grundsätzlich) informiert sein will (und sei es nur bis zu gewissem Grade), kommt mit
Nutzung moderner Medieninstrumente kaum noch umhin, diesem "News"- und
Gesinnungsterror zu begegnen, sei es durch herkömmliche Medien oder intermediäre
Werkzeugedes Internets (Facebook, YouTube, Twitter etc.).
Medienmacht (und mit ihr die Macht über Menschen) steht zunehmend für die subtile,
bisweilen perfide Art, die im Menschen naturgemäß angelegte Wissbegier und Neugier durch
instrumentelle Aktualisierung von Ereignissen zu bedienen. Gezielt werden solche Vorfälle
aufgegriffen, mit denen ein zu beförderndes Thema (meist politisch-ideologisierter
Provenienz) auf die Tagesordnung gesetzt werden kann, hingegen andere (den Lebensalltag
betreffend, durchaus bedeutsamere) Themen ausgesondert und bestenfalls zweitrangig auf
sie eingegangen wird. Diese Form von Machtausübung (dessen sich die Politik, sich des
machtpolitisch instrumentellen Charakters der Medien bewusst, bedenkenlos bedient)
verletzt das normative Ziel einer objektiven und unparteiischen Information der
Bevölkerung.
Moderne IT-Medien sind also zur Instanz gesellschaftspolitischer Meinungsmanipulation und
zum Vehikel ungehemmter Verbreitung solcher Meinungsmache geworden. In dieser Weise
also ausgeübte (Gewalt-)Herrschaft als Informationstyrannei und Gesinnungsdiktat einer
politisch-ideologisierten Demagogie, gleich welcher Couleur. Die soziale Macht (in Summe
der Einzelnen) bricht die des Einzelnen, er wird hilflos treibendesOpfer im Strudel von
Propaganda und eines jeweils kollektiven Meinungsdiktats. Würde man die psychologischen,
soziologischen wie philosophischen Zusammenhänge nicht kennen, wollte man sich
emotionsgeladen kurzerhand jeglichem Protest dagegen anschließen.
Hinsichtlich dieser Schelte gilt aber auch:
"Man verachtet gern und vornehm Propaganda und übersieht, wovon sie lebt: von einer
Unterernährung an Wissen um die Vorgänge, zu denen man ja oder nein sagen muß"[...]
Gegen die Faulheit des kritiklosen Für-wahr-Haltens schützt nur der beste Satz der
Aufklärung, der Diderots letzter gewesen sein soll: 'Der erste Schritt zur Wahrheit
ist der
Zweifel.'" (Marcuse)
So trifft auch zu, wie es Nathalie Sarraute (franz. Dichterin) ausdrückt:
"So widersinnig es auch klingen mag, der eigentlich Verantwortliche für die Wirkung
einer
Information ist nicht der, welcher informiert, sondern derjenige, der informiert
wird."
Unvermeidbar pendelt das Selbstverständnis des Menschen und die sich jeweils daraus
entwickelnde Gesellschaftsform zwischen den Polen von Subjekt und Objekt wie
gleichermaßen von Mythos und Aufklärung. Der Mensch treibt in jeglicher
Gesellschaftsverfassung sein Wesen und Unwesen zugleich; Dialektik des Lebens könnte
man es nennen. Aus dieser Dialektik heraus wird das Drama derWelt befördert: Kalter,
unbarmherziger Zweckrationalismus heute, der hergebrachte Denkmuster und
Gesellschaftsformen einebnet, gleichermaßen aufklärerisch zertrümmert, wie es seinerzeit
(allerdings unter gänzlich anderem Aspekt) dem "Alleszermalmer" Kant
zugeschrieben
wurde. Doch auch er appelliert an den Einzelnen:
"Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der
Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer
Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen
(naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es
anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig
zu sein. [...] Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten
Zeitalter? so
ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung."
(Kant,Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung)./
Dialektik der Aufklärung als zwei Seiten einer Münze. Diese Sicht lässt an das
begriffslogische Verhältnis von kritischem und aufklärenden Denken in Hegels dialektischer
Grundstruktur des "übergreifenden Allgemeinen" denken. Die Identität jeweils
existierender
Gesellschaftsform ist umgrenzt vom Anderen, wobei das Andere als Mangel erkannt wird
("Es muss anders werden!"). Doch die Frage ist: Kann es anders werden?
Kant gibt eine Antwort: "Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von
persönlichem Despotismus und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber
niemals wahre Reform der Denkungsart zustande kommen; sondern - neue Vorurteile
werden, ebensowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens
dienen." (Kant)
Dieses Zitat verdeutlicht, wie wenig sich die Wesenheit des Menschen im Allgemeinen
ändert (wenn überhaupt) und führt zum unabwendbaren Schluss, dass es für die Menschheit
kein (endgültig) aufgeklärtes Zeitalter geben kann. Was bleibt also von der Idee der
Aufklärung als Erkenntnis zur Bewältigung heutiger Lebens- und Weltkrisen?
Trotz ihrem bedrängenden Lamento vom "schlechten Bestehenden" hielten
Horkheimer/Adorno ein "anders werden" unter der Bedingung für möglich, durch
Reflektion
auf das Verdrängte ("Nachdenken über Aufklärung") und Versöhnung mit der inneren
und
äußeren Natur die Aufklärung schließlich zu vollenden. Das entspricht eher einer
psychoanalytisch-soziologischen Auslegung ihres rationalistisch verkürzten
Aufklärungsbegriffs. Das historische Phänomen einer weitestgehend gelungenen Aufklärung
mit ihren bedeutsamen philosophischen Elementen und gesellschaftlichen Veränderungen
wird von den Autoren nicht erschöpfend erfasst, was jedoch der spezifischen Gültigkeit und
Bedeutung von "Dialektik der Aufklärung"in Art einer radikalen
Gesellschaftskritik keinen
Abbruch tut.
So bleibt die Einsicht um die Notwendigkeit beständigen Ringens eines jeden Einzelnen um
die Lebenskunst des "amor fati", bei der uns die Philosophie doch auch
Handreichung geben
kann für "richtiges" Handeln: */"Facere docet philosophia, non
dicere."/*
Die Vernunft der Moderne (ihren Ausgang nehmend im Logos der griechischen Philosophie)
führte zur Überwindung von Angst und Ohnmacht vor den Mächten einer unbändigen Natur
und damit zur Abkehr vom Mythos, als seinerseits erste Form und Instrument (Mimesis) im
Umgang mit diesen. Die mit der Aufklärung einher gegangene Entwicklung des sich selbst
bewusst werdenden, rationalen Individuums bewirkte jedoch die Verdrängung bzw.
Verleugnung der intrinsisch im Menschen angelegten Naturverhaftung und birgt damit das
latente Risiko zur gewaltsamen (letztlich unausweichlichen) Wiederkehr des Verdrängten.
Beständiger Wechsel an der Grenze zum jeweils Anderen. Im Zyklus dieser ewigen
Wiederkehr offenbart sich der "metaphysische Durst" des Menschen "nach dem
`Ontischen`
und dem Statischen" (Eliade), denn in Wirklichkeit ist das den Menschen prägende
Vergangene immer schon da: in allen Formen gemeinschaftlichen Lebens, von der Wiege
bis zum Grab; wo immer wir auf`s Neue beginnen, ist niemals der Anfang. Ohne Herkunft
(als das Alte) ist Zukunft - als das Neue - gar nicht erkennbar, geschweige denn zu
meistern.
Zuletzt bleibt aber doch die hoffnungsvolle Frage, ob und inwiefern dieser Kreislauf im
Sinne
der Menschheitsentwicklung durchbrochen werden könnte.
Gibt Simmel die entscheidende Antwort? "Die endlose Wiederholung unseres Verhaltens
werde zum Kriterium, an dem uns dessen Wert oder Unwert zu Bewusstsein kommen solle"
Oder Nietzsche?: "Wir aber wollen Die werden, die wir sind, - die Neuen, die
Einmaligen, die
Unvergleichbaren, die Sich-selber-Gesetzgebenden, die Sich-selber-Schaffenden! Und dazu
müssen wir die besten Lerner und Entdecker alles Gesetzlichen und Nothwendigen in der
Welt werden: wir müssen Physiker sein, um, in jenem Sinne, Schöpfer sein zu können, -
während bis her alle Werthschätzungen und Ideale auf Unkenntniss der Physik oder im
Widerspruch mit ihr aufgebaut waren. Und darum: Hoch die Physik!"
Oder findet sich eine Antwort in Hesses Romanen. Pflichtlektüre jener
subkulturell-bohemehaften Hippiebewegung, erstanden hierzulande im Gefolge der 68er
politischen Fundamentalopposition und gesellschaftlichen Verweigerungshaltung der
Nachkriegsjahrzehnte, mit der Forderung nach Spontaneität und Selbstentfaltung, den Song
"Summer of Love" in den Herzen.
Ich habe Hesse auch mit Hingabe gelesen, die Hintergründe dieser Literatur mehr ahnend,
als verstehend. Selbstentfalten musste ich mich derzeit als Technikstudent auf andere
(sehr
real nüchterne) Weise. Doch Hesses dialektische Gegenüberstellung von geistigem und
profanen Leben, von Sinnlichkeit und Ratio zog mich in seinen Bann.
Nichts abgewinnen konnte ich der brutalen Seite einer Auflehnung (in Art militant
agitatorisch
geführter Sprache und Repression vs Andersdenkenden seitens SDS u.a.) gegen
Herrschaftsformen dieser Zeit; zudem der Auffassung, (Gesellschafts-)Politik zur
Glaubenssache erklären zu müssen, was meine Abneigung gegen die bis heute in diesen
Kreisen vorherrschende Gesinnungsethik erklärt.
Das lässt sich natürlich mit der Depersonalisierung eben der Herrschaft der Gesetze
erklären, die ein erhebliches Potential zur Verschiebung von Verantwortung in sich trägt,
wie
es das politische System jener Ära perfektioniert hat und bis heute betreibt.
Dieser Aspekt führt nun wieder zu den Fragen von Ethik-Theorien, etwa dem Gegensatz von
Gesinnungs- und Verantwortungsethik (Max Weber), die es sicherlich hier zu diskutieren
lohnt.
Bester Gruß in die Runde!
Karl
PS: Meine Einlassung zum Thema: wiederum viel zu länglich! Zur Kürze fehlte die Zeit resp.
die Befähigung dazu (Das Hirn vertrocknet - bei dieser Hitze). Wer es lesen will, sollte
das
gelegentlich in Muße tun, ggf. darauf antworten - ansonsten schlichtweg löschen