"Und wieso soltle man nicht irren können, wenn die fragliche
Wahrnehmung nur wenige Zeit zurückliegt?
Das Problem ließe sich "wittgensteinisch" so umformulieren: Unter
welchen Umständen würden wir davon sprechen, die Wahrnehmung einer
Person habe sich getäuscht?
Und da gibt es offenbar Umstände." (Zitat Rat Frag)
Das ist möglich, man redet dann von einem Ausfall des Kurzzeitgedächtnisses. Ich verstehe
nur den Sinn des Einwands nicht.
Wir waren doch durch deinen Hinweis auf Ernst Mach darauf gekommen, der meinte, von
Tatsachen nur im Zusammenhang mit Eindrücken reden zu können. Nun ist aber verständlich,
zu sagen "Meiner Meinung nach ist das so und so. Aber ich kann mich natürlich
irren." Und unverständlich "Meiner Meinung nach sehe ich das und das. Aber ich
kann mich natürlich irren."
Was Ernst Mach für ein Ding der Unmöglichkeit hielt, wäre also wie gesagt nur falsches
Deutsch.
Vom Mitteilen von Eindrücken hatte ich nun Aussagen wie "ich glaube, das ist so und
so" unterschieden (und die Möglichkeit offen gelassen, daß bestimmte Formen
religiösen Glaubens Sonderfälle sein könnten), weil sie sich auf unbekannte Sachverhalte
beziehen und jederzeit widerlegt werden können. Darauf gekommen war ich, weil du plötzlich
derartige Aussagen neben Aussagen über Wahrnehmungen ins Spiel gebracht hattest.
Zum Vergleich von beschreibenden Sätzen mit Bildern: Das Bild kann den Sachverhalt ebenso
unzutreffend darstellen wie der Satz, um die Trivialität auf die Spitze zu treiben.
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 27.02.17 15:56 (GMT+01:00) An: philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Betreff: Re: [Philweb] Reden wir über Tatsachen
[Philweb]
Am 20. Februar 2017 um 22:39 schrieb Claus Zimmermann:
Im Zusammenhang mit Wahrnehmungen kann man lügen, aber
sich nicht irren,
außer sie liegen schon lange zurück und die Erinnerung ist verblasst.
Und wieso soltle man nicht irren können, wenn die fragliche
Wahrnehmung nur wenige Zeit zurückliegt?
Das Problem ließe sich "wittgensteinisch" so umformulieren: Unter
welchen Umständen würden wir davon sprechen, die Wahrnehmung einer
Person habe sich getäuscht?
Und da gibt es offenbar Umstände.
Glauben im nicht religiösen Sinn ist etwas anderes als
die Wiedergabe eines Erlebens, es bezieht sich auf einen unbekannten oder auch in
Vergessenheit geratenen Sachverhalt, zu dem man eine mehr oder weniger begründete
Einschätzung hat, die man für zutreffend hält.
Es ist etwas ermüdent, dass beim Stichwort "Glauben" reflexhaft die
Religion assoziiert wird.
Nehmen wir mal die Definition von Wissen, die Platon zugeschrieben
wird: Wissen ist begründeter (1), wahrer (2) Glaube (3).
Das bedeutet, wenn ich feststellen will, ob Fritzchen weiß, wie unsere
Acht (oder wieder 9?) Planeten heißen, dann kann ich mir eine
Checkliste machen: - Glaubt Fritzchen daran, dass es 8 Planeten im
Sonnensystem gibt und diese so heißen? (3)
- Kann er seine Überzeugung begründen?
- Ist sein Glaube richtig?
Hier wird also "Glaube" eigentlich als etwas völlig anderes verstanden
als man es oft mir Religion in Verbindung bringt. Hier ist es ganz
einfach "Überzeugung".
-Wenn ich beschreibende Sätze mit Bildern vergleiche
ist das weniger eine Theorie
mit einigem Erklärungsanspruch, als - ein Vergleich. Auf die Frage "was
siehst du?" könnte ich z.B. "ein Haus" antworten oder ein Haus zeichnen.
Die Sache ist keineswegs so trivial. Wenn ein Schüler z. B. durch ein
Mikroskop guckt, dann kann es passieren, dass er seine eigenen Wimpern
sieht und irrtümlich davon ausgeht, er sieht dort ein sehr kleines
Raubtier mit Fangarmen.
Auch z. B. Augenprobleme, Wahrnehmungsstörungen oder andere Dinge
können berechtigte Zweifel an einem Bild aufkommen lassen.
Wie gesagt: verallgemeinert lautet der Satz "das
und das ist nicht möglich".
Hmm, darüber werde ich nachdenken.
Richtig ist aber m. E., daß, wo es keinen Sinn hat,
von einem Irrtum zu reden, es
nicht sinnvoll ist, von richtig und falsch zu reden.
Es sei denn, wir haben es mit sehr abenteuerlichen Konstrukten zu tun, ja.
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