Am 14.11.2020 um 07:47 schrieb Joseph Hipp:
nur auf einen kleinen Teil antwortend, auf:
Am 14.11.20 um 02:43 schrieb K. Janssen via Philweb:
....
So eminent grundlegend Bausteine auch sind, ohne
Ideen diese in Form
zu bringen (Platon), bleiben sie schlichtweg nutzlose Materie.
Wenn ein Gießer zu
seinem Handlanger sagt: Bring mir bitte die Form,
mit der ich eine Vase herstellen kann, so ist diese Form greifbar, sie
ist also nicht „formeller, immaterieller“ Natur.
Weil in meinem Verständnis jedes Wort von mir verlangt, dass ich es
erst einmal so verwende wie es verwendet wird, so brauche ich auch
nicht von niemandem darauf hingewiesen zu werden, dass ich die Vase,
wenn sie vorliegt, auf die materielle Form der Vorlage zurückführen
kann. Dadurch, dass aus einer Form eine neue Vase entsteht, bedeutet
nicht, dass da etwas sehr besonders Neues entstanden ist, sonst wäre
jede Schallplatte etwas Immaterielles an sich.
Auch die Erstplatte wurde mittels materieller Eingravierung der
Vibrationen hergestellt, sie war selbst schon eine Kopie der Bewegung,
die aus den Tönen entstand.
Das Wort Form bringt ebenso wenig Neues wie z.B. das Wort „Entelechie“
für das Erklären des Lebens. Wer einen erheblichen Unterschied
zwischen einem Vogel und „andere Tieren“ hervorhebt, dem kann nicht
widersprochen werden. Für ihn ist eben ein Vogel mehr als ein Tiger,
ein Mensch, ein Insekt. Ich habe kein Problem damit. Nur wenn er mir
das immer sagen will, wird es zu einer Art unnützen Wiederholung.
Ja es ist richtig, es gibt ein Problem mit diesen Wiederholungen - vor
allem, wenn sie unnütz sind!
Aber welche Wiederholungen sind nutzlos, welche nützlich?
„Wie oft soll ich dir das noch sagen?!“ herrscht die Mutter das Kind an
und scheint am Nutzen schier unendlich wiederholter Appelle zu zweifeln,
die letztlich dann doch „fruchten“.
Wiederholungen – das wäre ein lohnendes Thema hier! Auf Philosophie
bezogen, denke ich dabei sofort an Sokrates. Wir können uns lebhaft
vorstellen, wie Sokrates „gnadenlos“ jeden Tag auf‘s Neue mit seiner
Methode der Sokratischen Dialoge (penetrant mit bohrenden, meist
unbequemen Fragen angezettelte Streitgespräche) seine Mitbürger auf
Athens Marktplatz teils begeistert und sicher größtenteils entnervt hat.
Ob Diskussionspartner oder Zuhörer, seine gutmeinende Absicht wird
gewesen sein, mit dieser Art „Dialog“ beide Gruppen zu gewisser Einsicht
in einen bestimmten Sachverhalt zu bewegen.
Solche Art Propheten leben gefährlich und sterben selten den natürlichen
Tod! Das sollte uns „Propheten“ hier in philweb nicht unbedingt
widerfahren. Soweit wir uns hier philosophischer Sichtweisen
befleißigen, bleibt aber auch hier die Frage, ob Sokrates‘
Wiederholungen unnütz waren und Wiederholungen generell ohne Nutzen sind.
„Siehst du denn nicht was ich sehe?“. Diese Frage kann bis zur
Verzweiflung des Fragenden führen; wie oft sie gestellt wird - ob unnütz
oder nicht - letztlich entkommen wir nicht dem Problem unterschiedlicher
Sichtweisen:
Und schon muss ich mich auch wiederholen, indem ich diesbezüglich auf
mein hier vor Zeiten gebrauchtes „Bild“ vom Mond zurückweise: Der Eine
sieht ihn freistehend in voller Pracht, sein Gegenüber hingegen nicht,
da ihm die Sicht durch ein Hindernis versperrt ist, weshalb er die
Existenz des Mondes kategorisch abstreitet.
Das heißt doch, wenn man – wie Sokrates – um konsensfähige Einsicht
bzgl. eines diskutierten Sachverhalts bemüht ist, müssen die jeweiligen
Diskutanten zum Perspektivwechsel im Stande bzw. bereit sein (und sei es
nur temporär), sich in die andere Sichtweise hineindenken zu können.
So sehe ich an Deiner Antwort auf meine Aussage bzgl. Bausteine - Idee –
Form (So eminent grundlegend Bausteine auch sind, ohne Ideen diese in
Form zu bringen (Platon), bleiben sie schlichtweg nutzlose Materie.),
dass ich den Begriff der Form für Dein Verständnis unzulänglich
ausgedrückt habe.
Jh: „Wenn ein Gießer zu seinem Handlanger sagt: Bring mir bitte die
Form, mit der ich eine Vase herstellen kann, so ist diese Form greifbar,
sie ist also nicht „formeller, immaterieller“ Natur.
Aus Deiner Sicht hast Du unter Form eben genau diese „Gießmaske“
verstanden, wie man sie für allerlei Gusserzeugnisse (von
Schokoladen-Nikolausen bis zu Schillers Glocke) benutzt. Das ist nichts
als „Hardware“ also pure Materie. Solche jedoch zu fertigen, bedarf es
einer Idee und nur diese ist selbstredend „immaterieller Natur“
Für den einen ist der Rabe ein wunderliches Tier, für
den anderen eine
Spinne, warum nicht. Aber davor staunend auf die Knie zu gehen, und zu
beten, das ist in der Tat etwas Emergentes.
Weil im Falle des Immateriell-Denkers dieser immer wieder andere
Wörter hervorkramen kann, ist es nicht so wie beim Vogel, denn auch
ein anderes Tier könnte meinen, es sei die Krone der Schöpfung.
Ja, "Worte-Kramer" sind wir letztlich alle, womöglich sogar
sophistische Wortverdreher. Worte jedoch sind für uns Menschen zunächst
die einzige (sicher defizitäre) Möglichkeit, Gedanken mitzuteilen. Zudem
hier in der Liste deutlich zusätzlich erschwert, durch ausschließlich
auf Worte/Schrift beschränkte Möglichkeit zum Meinungsaustausch - es
fehlt die "Parasprache" wie Gestik, Mimik, eben die gesamte Körpersprache.
Die anderen Wörter, die hervorgekramt werden, wenn sie denn kritisiert
werden, werden wieder mit anderen ersetzt. So wird aus der Form das
Formelle (abstrakt), das man so mitmachen sollte. Dann kommen Geister
einher, aber das genügt nicht, man soll das abstrakt denken. Aber wenn
man sich nicht mit den Zaubertricks der Sprache verführen lassen will,
was dann?
Da bleibt nur Gelassenheit und Einsicht i.o. beschriebene Situation aus
der heraus man selbst genau nachlesen, sich vergewissern muss, was denn
der andere wirklich ausdrücken will. Wir sollten da nicht sofort
ungnädig sein, denke ich.
Dann werden Götter herbeigeholt, Kinder und
Konstruktionen der Kinder.
Mir oder den vermeintlichen Materialisten, wird dann in den Mund
gelegt: „Alles Konstruierte ist nicht konstruiert, es gibt keine
Konstruktion, es gibt keinen Plan, alles konstruiert sich zufällig.“
Dann bekomme ich und andere zu hören: „Siehst du denn nicht was ich
sehe?“
ohne Ideen diese in Form zu bringen (Platon),
bleiben sie
schlichtweg nutzlose Materie
Also wieder ein neues Wort, das ich so denken soll wie es gedacht
werden soll, will. Erst einmal sehe ich keine Materie von vornherein
als nutzlos an. Also es steckt schon eine üble Nutzungsmetapher
gegenüber der unschuldigen Materie. Ich bin damit nicht einverstanden.
Auch ein Verbrecher bringt seine Ideen in Form, und ohne diese wären
die Opfer noch möglicherweise am Leben.
Nun, ich gehe davon aus, dass Verbrecher in erster Linie ihre niederen
Instinkte in Form krimineller Handlungen ausleben, diesem Handeln liegen
natürlich (durchaus teuflische) Ideen zugrunde.
Mit diesem Gedankenexperiment ist nur gezeigt, dass
Ideen, wenn es sie
denn gibt, nicht unbedingt besser als Materie sein müssen. Korollar
zum Satz:
„ohne vorhandene Opfer die Ideen anzuwenden, bleiben sie schlichtweg
nutzlose Immaterie"
Das habe ich - zugegebenermaßen - nicht verstanden.
Ich freue mich über Fehler-Hinweise, sollte ich
allgemeinlogisch
falsch argumentiert haben.
Als Fehler sehe ich da nichts, es ist zunächst Deine Art der
Interpretation und das macht doch den Vorteil von Diskussionen aus.
Diese sind immer höchst willkommene Denkanstöße!
Mit bestem Gruß an Dich und in die Runde! - Karl