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Am 30.03.2025 um 15:51 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
gibt es in den Wiederholungen unseres Mailaustausches überhaupt noch eine Variabilität,
die weitere Diskussionen sinnvoll erscheinen lassen?
Wohl kaum, denke auch ich. Wo wir beide uns im Diskurs regelmäßig verhaken, stehen quasi
vorprogrammiert unsere diametral angelegten Weltsichten einer gewünschten Variabilität
entgegen. Mit Sicherheit haben wir auch Gemeinsamkeiten, etwa in der QM und natürlich auch
hinsichtlich unverrückbarer, d.h. axiomatischer Gesetzmäßigkeiten der Natur.
Dort, wo diese Natur, resp. Physis überstiegen wird, diese mit dem Begriff des „meta ta
physika“ philosophisch in den Bereich der Metaphysik transzendiert, würde Wittgensteins
Postulat greifen: „Worüber man nicht sprechen kann, muss man schweigen“
Du scheinst mir gedanklich über Wittgenstein und Lorenzen nicht hinauszukommen. Ersterer
hatte nur im gewissen Sinn Recht mit seiner Aufforderung, nicht über etwas zu sprechen,
wovon man nichts zu sagen weiss. In seinem Tractatus spricht er von Sagbarem und von
Unsagbarem. Oberflächlich betrachtet wirft das die Frage auf, wie denn überhaupt von etwas
Unsagbarem als solches die Rede sein kann, d.h. von derartigem gesprochen werden könnte.
Wir müssen hier nun kein Wittgenstein-Seminar eröffnen, wenn es um Fragen nach dem
Unsagbaren der Metaphysik geht. Es gibt per Definition kein Wissen von dem, was die reale
Natur der Lebenswelt übersteigt, allenfalls Wissen über dieses Phänomen, das einzig auf
Mutmassung oder blinden Glauben beruht. Damit ist aber keine letztgültige Aussage zu
treffen, insoweit diese Sphäre des Intelligiblen nicht existieren würde. Für mein Teil bin
ich davon überzeugt, ohne selbstredend einen naturwissenschaftlich geführten Beweis dafür
zu haben. Diesen brauche ich auch nicht, da ich intuitiv weiss, ihn in dieser irdischen
Sphäre niemals finden zu können.
Nicht nur als Christ halte ich mich an den Dekalog, mir kein Bild von Gott machen zu
können, schon gar nicht in anthropomorpher Vorstellung, eher noch die einer kosmischen
Intelligenz, bisweilen als das Fühlen einer Allgeborgenheit, wenn immer ich mich
kontemplativ dort hinein begebe. Dazu muss ich nicht Wittgensteins Leiter hochsteigen und
somit diese auch nicht hinter mir in die Realwelt zurückwerfen, grosskotzig annehmend, ich
sei an einem Ziel angelangt.
Selbstgewissheit jedoch ist essentielle Voraussetzung für ein gelingendes Erklimmen der
Lebensleiter, deren erreichte einzelne Sprossen jeweiliger Prozesshaftigkeit (causal sets)
entsprechen.
Sollte meine Selbstgewissheit hier als Arroganz, Besserwisserei oder Rechthaberei gesehen
werden, kann man dem so begegnen, wie Du es eben vorgenommen hast: Hilfreiches Korrektiv
und somit jederzeit willkommen.
Du beschränkst Mathematik immer wieder auf eine
Hilfswissenschaft, um sie dann nicht fürs Intelligible hineinreichend ansehen zu können.
Merkst Du gar nicht mehr, dass Du Dich damit gleich einer selbsterfüllenden Beschreibung
bloß selbst bestätigst? Ich hatte ja auf Wittgensteins Empfehlung verwiesen,
Metaphysisches möglichst auf Umgangssprachliches zurückzuführen. Und Lorenzen hat dann ja
ausgehend von der Alltagspraxis nicht nur die Philosophie, sondern auch die Wissenschaften
methodisch rekonstruiert.
Methodisch konstruktiv werden Sprache und Mathematik gleichursprünglich und
nachvollziehbar aus der Alltagspraxis entwickelt. Natürlich kannst Du beide im
Handlungsschema als Hilfsmittel betrachten. Warum aber die Einschränkung auf die
axiomatische Mathematik und nicht erst einmal mit der konstruktiven beginnen? Zudem ist
nicht nur die Kunstsprache Mathematik, sondern auch die natürliche Sprache
menschengemacht. Mit Bezug auf Wittgenstein hatte ich ja darauf verwiesen, dass Mathematik
und experimentelle Wissenschaften zeigten, wovon nicht mehr gesprochen werden könne.
Wenn wir nun „intelligibel" vom traditionellen Bildungsbalast befreien und schlicht
umgangssprachlich als denkbar auffassen, was bleibt dann von Deinem Ansinnen, die
Mathematik, aber nicht auch die Umgangssprache in ihre Schranken zu verweisen?
Weder möchte ich Mathematik, noch die Umgangssprache in ihre Schranken verweisen, zudem
das in dieser Art des Diskurses hier unmöglich wäre. Lediglich deren Grenzen aufzeigen,
ist mein Ansinnen.
Mathematik gilt als Hilfswissenschaft, um reale Phänomene in der Natur zu beschreiben,
ohne sie notwendigerweise erklären zu können. Nicht mehr - nicht weniger. Das mindert
nicht ihre Bedeutung, da sie nahezu in jede wissenschaftliche Disziplin einwirkt, bzw.
dort zur Anwendung kommt.
Und zum Denken kommt ja noch das Fühlen und beide sind
sowohl umgangssprachlich wie mathematisch nur annäherbar. Die Umgangssprache ist begrenzt
durch ihr Hervorgehen aus dem alltäglichen menschlichen Umgang. Die Mathematik beginnt
auch in der Alltagspraxis, wird dann aber über die ersten zählenden Anfänge hinaus bis ins
quantitative Unendliche erweitert.
d’accord.
Was sprachlich alles denkbar ist, halte ich weitgehend für phantastisch oder mystisch;
denn Worte, die keinen Bezug zu der von allen Menschen teilbaren Außenwelt haben, bleiben
nur selbstbezogen. Mit ihnen gebildete Sätze machen Literatur und spezieller literarische
Philosophie aus, über die endlos palavert werden kann. Die lese ich auch, beharre aber
nicht auf ihre Gültigkeit, sondern lasse mich bloß anregen oder unterhalten. Anders geht
es in der methodischen Philosophie zu, wie sie bspw. vom frühen Wittgenstein und späten
Lorenzen betrieben wurde. Die beharrt nicht auf Selbstgewissheit, sondern kann prinzipiell
auf Gültigkeit überprüft und wie die Wissenschaften verbessert werden.
Bei Dir scheint es mir metaphorisch und phantastisch nahezu beliebig durcheinander zu
gehen im literarischen Philosophieren. Und wenn es an Nachvollziehbarkeit mangelt,
versteigst Du Dich darauf, dass es womöglich an mangelndem Talent oder Vermögen liege, Dir
nicht folgen zu können.
Wer behauptet denn sowas, es sei denn, ein Lesender meiner Beiträge empfindet das so.
Da es aber kein besonderes philosophisches Talent oder
Vermögen gibt, halte ich Dein Festhalten daran lediglich für Selbstschutz oder
Immunisierung. In der Literatur ist das unproblematisch, der Philosophie aber
unzuträglich.
Wenn Du das so siehst, solltest Du versuchen, diesen meinen „Selbstschutz“ argumentativ
aufzubrechen. Gewissermaßen immun bin ich gegen Deine ideologische Weltsicht, in der wir
uns bekanntlich fundamental unterscheiden. Es verhält sich in diesem Diskurs wie zwischen
Waldemar und mir: Ohne die Diskrepanz unserer Sicht auf Gott und Welt, wäre der Dialog
hier längst beendet. Zum Kaffekränzchen muss ich nur um die Hausecke gehen.
KJ