Von Rousseau und Moore verstehe ich leider wenig bis nichts.
Ich bin nicht der Meinung (wo es um Meinungen geht, geht es nicht um Philosophie), daß die Menschen alle lieb und nett sind, wenn sie nicht durch äußere Einflüsse verdorben werden. Regierungen, Erziehungskonzepte etc. sind ja nicht vom Himmel gefallen. Die Natur als Idyll, ich weiß nicht...Wir können auch nicht zurück zur Natur, selbst wenn wir wollten, weil wir keine reinen Naturwesen mehr sind, ebenso wenig wie wir reine Kulturwesen sind.
Andererseits gibt es natürlich auch Leute, die alles unternehmen, um die Welt in die Hölle zu verwandeln, für die sie sie halten und dann zufrieden sagen: siehst du, wie recht ich hatte?
Ich meinte nur, daß wir einander ähnlich genug sind, um einander halbwegs zu verstehen, oder andersrum: ohne einen gewissen Gleichklang wäre eine Verständigung gar nicht möglich, die ja offensichtlich meist möglich ist. Das gilt sowohl für Sinneserfahrungen wie auch für die Frage, was Regierungen mit Menschen anstellen dürfen. Wobei bei letzterem doch mehr Kultur oder Unkultur ins Spiel kommt. Wenn jemand alle Brücken hinter sich abgebrochen und jede menschliche Regung in sich ausradiert hat, kann es sein, daß eine Verständigung nicht mehr möglich ist.
Zu Moore kann ich leider nichts sagen.
Claus
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Vielleicht als Ergänzung zu den beiden von dir dargestellten Standpunkten noch ein dritter, der sich in einem Satz ausdrücken könnte, den ich mal bei dem (mir im großen und ganzen unverständlichen) Kierkegaard aufgeschnappt habe: "Die Wahrheit lässt sich nicht in Sätzen lehren."Vielleich ist das ähnlich wie bei Farben: man kann erst darüber reden, wenn man sie schon kennt. Das, was man schon kennen muss, wären, auf Pflichten und Werturteile übertragen, sicher nicht Gesetzestexte. Ein "Gefühl für Anstand" kann in diese oder jene Bahnen gelenkt werden - im Gegensatz zur Farbwahrnehmung - aber wenn es nicht da ist, kann es nicht gelehrt werden und wir haben es nur mit konditionierten Reflexen zu tun.
Claus
null
Du hast dich da ja wirklich in ein Labyrinth getraut, in dem ich mich auch nicht auskenne und dir sind ein paar treffende Formulierungen gelungen, finde ich. Klasse!
Claus
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Zur Mail von Rat Frag vom 29. April 11:50 Uhr, zwecks besserer Lesbarkeit 2 Leerzeilen eingefügt und Vorspann weggelassen:
> Eine dritte Möglichkeit wäre, daß eine Frage nach Gründen fehl am Platz
> sein könnte. - CZ
>
*Das würde aber zur Folge haben, dass zwei Kulturen mit einander
*entgegengesetzten Wertvorstellungen sich nicht einigen könnten. Schon rein
*abstrakt nicht.
*Beispielsweise die Denker der Antike billigten offenbar häufig die
*Sklaverei usw. Heute lehnen wir das ab. - RF
Es kann vorkommen, dass man sich nicht einigen kann. Mit Blinden kann man nicht über Farben diskutieren. Aber so verschieden sind die Menschen im allgemeinen nicht gestrickt. Natürlich kommen dann noch Erziehung, staatliche Indoktrination und sonstige Verunstaltungen hinzu. (Das ist jetzt ein bisschen einseitig und überspitzt formuliert.)
> So auch "Das ist gerecht."? - CZ
>
*Natürlich kann man das in Frage stellen, wieso nicht? - RF
Wenn ich jemandem erklären sollte, was man unter "gerecht" versteht und das mit einem (Verhaltens-)beispiel täte, fändest du die Frage "warum nennt man das so?" also angebracht? Wenn ich auf ein solches Beispiel verzichten und das Wort rein verbal erklären würde und die dabei verwandten Ausdrücke ebenfalls rein verbal erklären würden bis hin zu einem Axiom - würde es sich um ein Zeichenspiel ohne Bezug zum Leben handeln.
Claus
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null
Hallo liebe Liste,
entschuldigt bitte, wenn meine Gedanken unausgegoren oder albern wirken.
Zunächst einmal: Meines Erachtens basieren die meisten ethischen
Systeme auf den Gedanken des "Freien Willens". Man macht Menschen für
Dinge verantwortlich, die sie tun, nicht für andere Dinge.
Meine Frage lautet nun: Nehmen wir an, eine neue Neuropsychologische
Theorie könnte aus Begleitumständen zwingend ableiten, wie sich eine
Person in Zukunft verhalten wird.
Wenn jetzt die Person A in den Umständen B sich befindet, dann wird A
z. B. ein Rowdy oder ein Dieb.
Können wir in dieser Situation im Ernst noch Person A für seine
Karriere als Dieb oder Knochenbrecher verantwortlich machen? Es waren
ja eigentlich nur die Umstände B, die ihn dazu führten. Er wäre als
Person für seine Handlungen ebensowenig verantwortlich wie
beispielsweise eine chemische Reaktion für ihren Verlauf
verantwortlich ist. Es liegt keine Entscheidung zu grunde.
Ein Kompatibilist könnte jetzt sagen, dass ich hier einen Denkfehler
mache. Wir haben nicht herausgefunden, dass es keinen "Freien Willen"
im Sittlichen Sinne gibt, sondern wie haben etwas neues über den
Willen erfahren. Eben das es sich dabei nur um die Neuropsychologische
Sache XYZ handelt.
Nur meines Erachtens erzwingt diese Interpretation weitreichende
Schlussfolgerungen in Bezug auf Verantwortung und Moral.
Man müsste also eine Ethik ohne Verantwortung erschaffen.
Kann mir jemand folgen?
Was denkt die Liste?
Gruß
Rat.
Wenn ich nicht durchblicke, ist es immer gut, mir das Thema noch einmal deutlich vor Augen zu halten.
Es geht, soweit ich das verstehe, um unbedingte Werturteile über Handlungen und ihnen entsprechende Gebote und Verbote. Können wir sicher sein, uns dabei nicht zu irren? Das steht doch wahrscheinlich hinter der Frage nach einer Begründung oder Intuition.
Was hieße denn hier richtig und falsch?
Im Allgemeinen redet man von richtig und falsch in Verbindung mit Aussagesätzen. Sie gelten als wahr, wenn die Eigenschaften des Gegenstandes, über den etwas gesagt wird, die Merkmale des ihm zugeschriebenen Begriffs ausfüllen. So etwa stellen wir auch fest, ob eine Handlung unter einen gesetzlichen Tatbestand fällt (vom Problem der unbestimmten, unscharfen Gesetzesbegriffe abgesehen). Das ist aber ein rein formales Kriterium, bei dem es auf den Inhalt insofern nicht ankommt, als er prinzipiell beliebig sein kann. Während es bei einem Werturteil, nicht auf ein wie, sondern auf das was ankommt. Deutet das nicht darauf hin, daß wir es hier mit einem der Muster zu tun haben, die die erste Voraussetzung von Definitionen sind?
Ob man bei der Mustererkennung hier lieber von moralischer Intuition oder vom "Herzen auf dem rechten Fleck" redet, dürfte in der Sache keinen Unterschied machen. Es dürfte aber ein ziemlich weiter Weg von hier zur Aufstellung oder Auffindung gesetzesförmiger objektiver moralischer Normen sein, falls das überhaupt möglich ist.
Claus
null
Hallo!
Wir hatte das ja schon mal mit "Humes Gesetz". Verfolgt man den Ansatz
konsequent, so kann man keine Normen (aka "Werturteile") aus Fakten
ableiten.
Was konsequent bedeutet, dass man Normen aus anderen Norman ableiten muss.
Dabei kann man zwischen zwei Formen von Norman unterscheiden:
1. Dinge, die "gut als Mittel" (Frei nach G. E. Moore) sind. Als
Dinge, die nicht um ihrer selbst willen als erstrebenswert erachtet
werden, sondern Aufgrund einer beabsichtigten Konsequenz.
Ein klassisches Beispiel dafür wäre etwa Geld. Man erstrebt das Geld
ja nicht um seiner selbst Willen, sondern um damit in den Besitz
anderer Dinge zu kommen. Oder eben Tugenden. Diese werden zumeist (¹)
selbst nicht als Wert an sich betrachtet, sondern als Mittel zum
Zweck.
2. Dinge, die "an sich gut" sind.
Also Dinge, die um ihrer selbst willen erstrebenswert sind.
Man kann das durchaus gleichsetzen mit Kants Unterscheidung zwischen
hypothetischen und kategorischen Imperativen. Die hypothetischen
Imperative sind nur "Wenn-Dann-Regeln". Zum Beispiel, "Wenn du ein
ehrlicher Kaufmann sein willst, dann solltest du deine
Geschäftspartner nicht betrügen". In solchen Fällen könnte das
Gegenüber immer antworten, "aber warum sollte ich ein ehrlicher
Kaufmann sein wollen?". Die Antwort könnte dann auf zwei Wegen
ausfallen.
Entweder man argumentiert mit dem eigenen Nutzen (a) für die
betreffende Person, etwa das man mit ehrlichen Kaufleuten eher Handel
treiben will als mit Betrügern oder (b) man argumentiert auf Basis von
Normen. "Du sollst ein ehrlicher Kaufmann!" sein. Der Weg (a) ist seit
der Aufklärung vielfach gegangen und inzwischen gut befestigt worden,
aber er hat im Wesentlichen mit zwei Problemen zu kämpfen. Zum einen
ist es in vielen Situationen unplausibel, dass aus einem moralisch
unerwünschten Verhalten auch negative Konsequenzen folgen.
Zum anderen könnte ein sturres Individuum einfach auf seinen Vorteil
verzichten und lieber persönlichen Schaden in Kauf nehmen als sich
fremden Imperativen zu unterwerfen. Das kann völlig verschiedene, aber
nachvollziehbare Ursachen haben. Ein Beispiel wäre etwa ein
Jugendlicher, der den Aufstand gegen die Gesellschaft probt oder
jemand, der Hass empfindet und anderen etwas nicht gönnt.
Mit wird es hier zunächst um den Weg (b) gehen. Der traditionellere,
aber in seiner puristischen Konsequenz selten verfolgte Weg. Demnach
wird versucht, "bedingte Normen" des Typ 1 auf Basis von Normen des
Typ 2 zu begründen.
Nun ist es legitim, die folgende Frage zu stellen: "Welche Begründung
hat eigentlich Typ 2?"
Die meisten modernen Philosophen, die den Typ (b) folgen und scheint
auf dem Gebiet der Moralphilosophie tatsächlich die Mehrheit zu sein,
verweisen an dieser Stelle auf moralische Intiution. Das ist sowohl
bei Moores Methode der totalen Isolation der Fall als auch bei den
Kantisten (Rawls) heben letztendlich auf eine Art Intuition ab. Bei
Rawls ist es eher die Abstraktion, vom eigenen Standpunkt abzusehen
und stattdessen sozusagen eine "Gott-Perspektive" einzunehmen (eine
Denkfigur des Utilitarimus!), in der man dann das eigene Wohl nicht
mehr über das Wohl anderer Menschen stellen kann.
Allerdings frage ich mich in diesem Zusammenhang, ob das nicht fast
schon wieder unter (a) fällt. Denn die Güter oder erstrebten Dinge
könnte genausogut normativer wie "wirtschaftlicher" Art sein. Das
Problem, das ich sehe, ist nun: Der moralische Egoist kann ohne
Probleme eine Begründung dafür verlangen, warum ihn das, was er selbst
für gut und richtig hält, nicht viel wichtiger sein sollte das, was
andere Leute wollen.
Irgendwie bin ich da in Gedankenverwirrung... Kann mir jemand helfen?
P.S.:
Am 13. Januar 2018 um 01:04 schrieb <.@.de>:
> PS: übrigens funktioniert unser Archiv wieder. hh hat es repariert. Vielen Dank dafür!
Ich kann immer noch nicht durch das Archiv navigieren. Mir ist es
jetzt nicht besonders wichtig, dass man "Geschreibsel" der Nachwelt
erhalten bleibt oder so. Dafür würde ich halt andere Publikationswege
wählen. Für stille Mitleser ist es vielleicht ärgerlich.
P.P.S:
¹: Mir ist natürlich die Ausnahme der Stoiker und einiger moderner
Tugendethiker bekannt. Eine interessante Denkschule, mit der ich mich
zukünftig intensiver auseinandersetzen möchte.
Nachtrag: Mit "Das ist 1 Meter" ist die Vorstellung der Masseinheit gemeint, nicht eine natürlich zu begründende Bekanntgabe eines Messergebnisses.Mit "Das ist gerecht" entsprechend eine Worterklärung.
null
Das mit dem rein westlichen Konzept stimmt nicht so ganz. Der chinesische Autor Mo Ti verglich z.B. in der Antike die Handlungen von Regierungen seiner Zeit mit denen von Verbrecherbanden und fand wenig Unterschiede.
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