Am 27.05.2021 um 12:28 schrieb Ingo Tessmann via Philweb:
(1) möglichst wenig voraussetzen wollten ja auch die
methodischen
Konstruktivisten. Deshalb ging ich in den 1970ern, wie zuvor schon im
Hegel-Seminar, auch im Marx-Seminar methodisch-konstruktiv vor, um die
jeweilige dialektische Begriffsgymnastik verständlich zu
rekonstruieren. Und natürlich hätte Marx sich kürzer fassen müssen und
anstatt der Hegelschen Dialektik der mathematischen Physik folgen
sollen, wie es die klassischen Ökonomen taten, die sich an der
Thermodynamik orientierten. Seinem kritischen Impetus hätte das
keineswegs Abbruch getan. Im Gegenteil, er wäre ernster genommen und
weniger missverstanden worden. Hegel war während der Studienzeit
Marxens in Berlin noch groß in Mode, aber genau das hätte ihn doch
skeptisch stimmen müssen!?
(2) Der Ökonophysiker Reiner Kümmel kritisiert Marx in: "Energie und
Wirtschaftswachstum, oder: Wie Arbeitslosigkeit und Umweltbelastungen vermindert werden
k�onnen“, wie folgt: "Hätte Karl Marx das völlig Neue erkannt, das mit der
Dampfmaschine in die Welt gekommen war, hätte er gesehen, dass der Mehrwert in der
Produktionssphäre durch Ausbeutung von Energiequellen statt Ausbeutung von Menschen
erzeugt werden kann. Der Gesellschaft wäre die Theorie von der Verelendung der Massen im
Kapitalismus und dessen zwangsläufigem Zusammenbruch erspart geblieben, und statt den
gescheiterten Versuch zur Errichtung einer Diktatur des Proletariats zu erleiden, hätten
die Menschen in den ehemals sozialistischen Ländern, wie ihre glücklicheren Zeitgenossen
in den marktwirtschaftlichen Demokratien, an dem aus den Energiequellen kreativ
geschöpften Mehrwert partizipieren können. Das tragische Nichtverstehen des industriellen
Produktionsprozesses durch den Sozialismus zeigt sich symbolhaft auch darin, dass Hammer
und Sichel, die Werkzeuge der Handwerker und Bauern der vergangenen Agrarepoche, die
Staatsflagge der zweitmächtigsten Industrienation der Erde auf ihren Weg in den
ökonomischen Kollaps geziert hatten.“
(3) Wärmekraftmaschinen generieren ihre Arbeit aus einer Temperaturdifferezenz und der
Kapitalismus generiert den Wohlstand aus der Wertdifferenz. Marx hatte es ja richtig
gesehen; denn wo immer eine Wertdierenz existiert, kann Profit erzielt werden. Das treibt
den Kapitalismus durch Ausbeutung. Aber heute sind nicht mehr die Arbeiter Sklaven,
sondern auch jeder Arbeiter in den Industriestaaten nutzt die Annehmlichkeiten vieler
„Energiesklaven“, wie H.P. Dürr unsere Energienutzung personifizierte, indem er den
menschlichen Ruheumsatz mit 100 W auch für jeden Energiesklaven annahm. Das macht 876 kWh
im Jahr und je nach Lebensstil kommen wir auf einige bis viele Dutzend „Sklaven", die
wir für uns arbeiten lassen.
(4) Es bleibt die Frage, wie Energie- und Wertdifferenzen genauer zusammenhängen und wie
womöglich auf alle Werte verallgemeinert werden können. Für den von mir hier in der Runde
schon einmal ins Spiel gebrachten Biophysiker Arto Annila treibt der Ausgleich von
Energiedifferenzen die Evolution schlechthin, wobei dem Licht eine besonderer Bedeutung
zukommt (siehe sein Buch „Back to Reality“). Dabei bedient Arto sich selbstredend
ausgiebig der Mathematik und das hätte Marx zu seiner Zeit auch schon tun können - und
sollen.
hallo,
diese obige mail I.T.s werde ich mir ausdrucken und einrahmen,
weil ich sie von (1) bis (4) für "epochal" aufklärerisch und die sache
auf den punkt bringend halte,
(sowas gelingt selten)
hervorzuheben auch insbesondere punkt (4) [wie hängen energiedifferenzen
und werte-differenzen = semantiken-differenzen zusammen?]
und deshalb bin ich auf philweb, weil es solche mails + inhalte hier
gibt ...
(ich bin begeistert !)
mein dank an I.T. für diese mail !!!
wh.
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