Am Do., 29. Feb. 2024 um 12:00 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <
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Unter Physikern wird Popper ebenso wenig geschätzt wie
Lorenzen und die
meisten anderen Wissenschaftstheoretiker. Beispielhaft dafür "The dangerous
misconceptions of Sir Karl Raimund Popper“:
Es gibt eine Aussage, die wahlweise Paul Feyerabend oder Feynman
zugeschrieben wird:
"Wissenschaftstheorie ist für Wissenschaftler so nützlich wie Ornithologie
für Vögel"
Ich halte diese pointierte Aussage für fast abschließend.
Es gibt, soweit ich weiß, zwei Traditionslinien der Wissenschaftstheorie.
Einmal eine normative, die gute oder richtige Wissenschaft erkennen will
und damit der Wissenschaft helfen will, gut oder richtig zu bleiben; Und
dann eine deskriptive, die nur den Anspruch hat Wissenschaft genauso zu
beschreiben wie sie ist.
Letzteres firm meines Wissens oft unter Begriffen wie *Wissenschafts*
geschichte,* Wissenschafts*soziologie oder dergleichen.
Aus meiner Sicht ist klar, dass es historisch Beispiele für irreführende
oder falsche Wissenschaft gab. Ich bezweifle jedoch, dass es eine
zuverlässige Methode zur Diagnose dieses Zustandes gibt.
Zitat: *"Insofar as Sir Karl Raimund Popper's writings deal with political
statements, they are evident; yet insofar as they deal with scientific
issues, they are misleading."*
Es gab einmal einen Spruch über jene Art von Intellektuellen, die sich im
Grenzgebiet zwischen Politik, Fachdisziplin und allgemeiner "Philosophie"
befinden.
Die Profi-Politiker erkennen, dass diese Personen bisweilen falsches oder
unsinniges von sich geben, aber sie sehen auch den Wert eines großen
Intellektuellens für ihre Sache. Die Profi-Wissenschaftler sehen ihn als
prominente Figur, die aber leider auf dem Fachgebiet nichts mehr
beizutragen hat.
Der letztere Bereich ist eher feuilletonistisch und man sieht eben eine
wichtige Figur der Zeitgeschichte.
Jeder vermutet die Meriten der Person auf den jeweils anderen Gebiet und
freut sich daher über ihn.
Popper -- du weißt, dass das von mir kommen musste -- gehört zu jenen
Denkern, die die letztlichen Konsequenzen aus der Herausforderung Humes
zogen. Den Induktionsproblem.
Zu den kritisierten Pseudointellektuellen zählt hjn
„Derrida, Paul de Man,
Baudrillard, Lacan, Lyotard, Foucault, Thomas Kuhn, Paul Feyerabend,
Nicholas Rescher und lokaler wirkende Autoren wie Paul Watzlawick und
Wolfgang Welsch; zu viele, um sie alle aufzuzählen.“ Auf diesem seit
langem bereiteten Boden ist es die Methode der Populisten, „die
unmanipulierbare Wahrheit durch manipulierbare Mehrheitsmeinungen zu
ersetzen.“
Bezüglich Kuhn und Feyerabend würde ich einen Einwand machen. Diese
pauschal als "Pseudointellektuelle" zu charakterisieren greift wesenetlich
zu Kurz.
Popper und seine Denkschule haben den historischen Aspekt der
wissenschaftlichen Wahrheitssuche komplett ignoriert. Kuhn und Feyerabend
haben darauf hingewiesen, dass dieser Aspekt existiert.
Poppers Philosophie ist in einer extrem vulgarisierten Form missverstanden
worden. Insbesondere den Punkt mit der Falsifizierung haben viele
Wissenschaftler schlicht nicht verstanden.
Poppers politische Philosophie würde hier den Rahmen sprengen.