Ich glaube, die Vorstellung von der Entscheidung als innerer Weichenstellung in Richtung
Handlung ist nicht unproblematisch.
Nehmen wir die Entscheidung, den Arm zu heben. Würden wir verstehen, was uns jemand
mitteilen will, der uns sagt: ich will, aber ich kann nicht - und ich bin auch nicht
gefesselt oder sonstwie behindert und es liegen auch keine aussergewöhnlichen Umstände wie
z.B. Hypnose vor. Wird unterscheiden zwischen Wollen und Tun hier eigentlich nur für den
Fall, daß doch Hindernisse vorliegen, worauf Wittgenstein aufmerksam gemacht hat. Dann ist
es nicht eine Entscheidung, die eine zurechenbare und zu verantwortende Handlung ausmacht.
Davon zu unterscheiden wären strategische Richtungsentscheidungen, die sich nicht auf
konkrete Handlungen beziehen. Kinder lernen das erst mit der Zeit, leben erst ganz in der
Gegenwart nach dem Gesetz von Lustmaximierung und Unlustvermeidung, wissen noch nichts von
Konsequenzen ihrer Handlungen und vom übernächsten Schritt. Ich würde den Zusammenhang mit
Verantwortung hier aber nicht überbetonen (unstrategische Lustmaximierung um jeden Preis
kann ein Verbrechen sein). Zur Verantwortlichkeit gehört, zu wissen, was man tut und
anrichtet - ein anderer Aspekt des Erwachsenseins.
Grüße, Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 01.10.17 11:37 (GMT+01:00) An: philweb
<Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: [Philweb] Psychologische Gesetzmäßigkeiten und der
Freie Wille
[Philweb]
Hallo liebe Liste,
entschuldigt bitte, wenn meine Gedanken unausgegoren oder albern wirken.
Zunächst einmal: Meines Erachtens basieren die meisten ethischen
Systeme auf den Gedanken des "Freien Willens". Man macht Menschen für
Dinge verantwortlich, die sie tun, nicht für andere Dinge.
Meine Frage lautet nun: Nehmen wir an, eine neue Neuropsychologische
Theorie könnte aus Begleitumständen zwingend ableiten, wie sich eine
Person in Zukunft verhalten wird.
Wenn jetzt die Person A in den Umständen B sich befindet, dann wird A
z. B. ein Rowdy oder ein Dieb.
Können wir in dieser Situation im Ernst noch Person A für seine
Karriere als Dieb oder Knochenbrecher verantwortlich machen? Es waren
ja eigentlich nur die Umstände B, die ihn dazu führten. Er wäre als
Person für seine Handlungen ebensowenig verantwortlich wie
beispielsweise eine chemische Reaktion für ihren Verlauf
verantwortlich ist. Es liegt keine Entscheidung zu grunde.
Ein Kompatibilist könnte jetzt sagen, dass ich hier einen Denkfehler
mache. Wir haben nicht herausgefunden, dass es keinen "Freien Willen"
im Sittlichen Sinne gibt, sondern wie haben etwas neues über den
Willen erfahren. Eben das es sich dabei nur um die Neuropsychologische
Sache XYZ handelt.
Nur meines Erachtens erzwingt diese Interpretation weitreichende
Schlussfolgerungen in Bezug auf Verantwortung und Moral.
Man müsste also eine Ethik ohne Verantwortung erschaffen.
Kann mir jemand folgen?
Was denkt die Liste?
Gruß
Rat.
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