It: "ja, beide Richtungen der Einflussnahme und ihre Überlagerungen kommen vor; aber warum werden die Androhungen von Eingriffen der Unternehmen in die Wirtschaft nicht als „Nötigungen“ eingestuft? Und warum dürfen immer wieder die Lobbyisten des fossilen Imperiums die Regeln zum Klimaschutz vorgeben? Selbstredend teile ich Neubauers Empörung darüber, wie sie sie bspw. auf dem Grünen-Parteitag ihren Mitstreitenden vortrug:
„Was ich nicht verstehe, ist, dass man in entscheidenden Stellen immer und immer und immer wieder die Falschen die Regeln machen lässt. Vor 30 Jahren, vor 30 Jahren hat meine Großmutter eine Solaranlage auf ihrem Dach installiert, da lag was in der Luft, Energiewende von unten — ihr kennt das alles. 30 Jahre später, Anfang der 2020er wurde in Sachsen ein einziges Windrad aufgestellt und Deutschlands Energiesicherheit lag in den Händen eines kriegstreibenden Autokraten. Was ist die Botschaft aus diesen 30 Jahren? Solange fossile Kräfte und fossile Konzerne die Regeln für die Energiewende machen, wird es keine Energiewende geben, die den Namen verdient.“ "
Was ich nicht verstehe ist, warum nun Rot-Grün, solchermaßen an den Hebeln der Macht seiend, eben diese früher von den „Falschen“ gemachten Regeln nicht sogleich ändert. Und Neubauers Großmutter zählte wohl schon vor 30 Jahren zu den Großverdienern, eine Kleinigkeit also, sich eine PVA auf's Dach installieren zu lassen. Ich habe die erste PVA vor ca. 20 Jahren zu horrenden Kosten auf unser Hausdach installieren lassen und das eben nicht wegen der damit einzusparenden Stromkosten, sondern exakt als Zeichen für private Initiative zum Umweltschutz. Du trittst bei mir offene Türen ein!
Jetzt reden wir von Bürgern, die es sich offenbar leisten können, in mehr umweltgerechtes Wohnen etc. zu investieren. Von diesem Niveau aus kann man leicht fordern, doch derartige Investitionen können vom Löwenanteil dieser Gesellschaft schlichtweg nicht geleistet werden. Zu leisten sind jedoch viele kleine Schritte in Richtung Umweltschutz, was es konkret zu bewerben gilt (etwa in Anlehnung an die von mir erwähnten TV-Spots zum 7. Sinn, diesmal eben beispielgebend für umweltgerechtes Verhalten). Damit wäre definitiv mehr gewonnen, als mit diesen Klebeaktionen, mit denen man den Großteil der Bevölkerung eher gegen die Sache des Umweltschutzes aufbringt als sie dafür zu gewinnen.
Was mich an dieser ganzen Debatte extrem stört, ist die Doppelzüngigkeit der Protagonisten! Nicht mehr – nicht weniger. Wenn ich als Großstädter schlichtweg kein Auto benötige, zudem es eh keinen Parkplatz dafür gibt, kann ich mich gut über Mitbürger aufregen, die abends wie morgens an meiner Stadtwohnung vorbei mit dem Auto zur Arbeit bzw. zur Erledigung sonstiger Termine fahren. Solange der ÖPNV nicht für eine wesentlich höhere Auslastung ausgebaut sein wird, ist nicht mit einer Veränderung dieser misslichen Verhältnisse zu rechnen. Und so weiter und so fort … Das naiv schmollende Ankleben auf Fahrbahnen bringt hier keine Abhilfe; man könnte auch sagen, ideologische Träumereien führen nicht weiter, sondern das Erstellen von tragfähigen Konzepten. Letzteres ist Aufgabe von interdisziplinär aufgestellten Expertenteams, die es mittlerweile längst in den Baureferaten der meisten Städte gibt. Doch es bleibt dabei: das von mir benannte Beispiel der nicht spontan umsteuerbaren Ozeandampfer trägt auch hier im kommunalen Bereich. Es sind nicht nur reaktionäre Unionswähler, die dann Protest erheben, wenn in ihrem Stadtviertel massive Umbaumaßnahmen geplant und umgesetzt werden. Da ist viel Heuchelei dabei, ob Du das hören willst oder nicht. Hier konnte man das deutlich am Beispiel des Brenner-Nordzulaufs sehen. Güter auf die Schiene ja, natürlich – aber nicht an unserem Or, nicht an meinem Grundstück vorbei!
Erstaunlich für mich bleibt, wie Du auf die Idee kommen kannst, ich würde einem ungehemmten Wachstum von Wirtschaft und sonstigen gesellschaftlichen Strukturen das Wort reden. Ich habe lediglich Aversionen gegen einen realitätsfremden Idealismus. So würde ich Dich gerne fragen, ob Du derzeit fröstelnd, am Ende gar frierend in Haus oder Wohnung sitzt oder doch eine Heizung betreibst. Könnte es sein, dass diese Heizenergie auf fossiler Energie basiert? Was würde Dir dazu einfallen, wenn sog. Klimaaktivisten es bewirken würden, diese Energiequelle sofort abzustellen? Stop Fossile - at once!!
Du hast wohl Geld genug, um Dich in ein wohl gewärmtes Hotel einzumieten, nicht aber Menschen, die in Hamburgs „wrong site of the City“ wohnen.
Warum sollte ich gegen Paechs Lehre einer vernünftigen Wachstumsökonomie sein? Ich hatte hier doch geschrieben, dass meine Diplomarbeit zum Thema der Technikfolgeabschätzung angelegt war und darin war damals schon Recycling ein zentraler Bestandteil dieser Arbeit. Es geht also um sinnvollen (nicht nur) technologischen Kreislauf, anstatt eines aberwitzigen Wachstums. Auch hier trittst Du offene Türen bei mir ein!
Ich schieb zuletzt: Deutschland ist schlichtweg Industrieland und demnach auf eine funktionierende, darauf ausgerichtete Wirtschaft angewiesen. Das vergessen diese Klebetypen gerne; wobei es mir auch scheint, sie kämen allesamt aus gut situierten Verhältnissen, ein Jammern auf fragwürdigem Niveau! Könnte es sein, dass sie den Verlust dieser Privilegien fürchten, wenn das schöne Wohlfahrts-Deutschland durch klimatische Veränderung einigen Luxus verlieren würde.
It: "Diese Unterstellungen sind unter Deinem Niveau und wohl Deines generellen Unmuts geschuldet."
Aus Deiner Sicht mag es Unterstellung sein und für einige Fälle wird das auch zutreffen. Ist man ehrlich gegen sich selbst, wird man nicht wenige Fälle von Heuchelei und Doppelmoral auf diesem Gebiet erlebt haben und bei genauem Hinsehen täglich erkennen. Damit meine ich nicht vornehmlich die Kleber, sondern die von mir erwähnten SUV-Grünlinge. Was die Klebeaktionen angelangt, bleibe ich dabei: es handelt sich um Aktionen, die mehr Unmut als Zustimmung befördern und damit erachte ich sie als sinnlos bzw, kontraproduktiv. Damit habe ich hier keinen dieser Aktivisten persönlich diskreditiert, sondern äußere meine Meinung genau auf jener gesetzlichen Grundlage, auf die sich diese Protestaktionen stützen.
Bester Gruß! - Karl
Applications are now open for the Lugano Summer School *Reality +*!
In June 2023, together with Magdalena Balcerak Jackson, David Chalmers
and Nathan
Wildman, we will discuss the philosophical import of *Augmented and Virtual
Reality* and how such emerging technologies impact debates in metaphysics,
epistemology, philosophy of perception and philosophy of mind. During the
summer school, there will be morning and afternoon sessions, social
activities, as well as an experience in virtual reality.
More information and a provisional schedule are available at
https://www.usi.ch/en/reality
*Instructors:*
Magdalena Balcerak Jackson
David Chalmers
Nathan Wildman
Hosted by: the Institute of Philosophy (ISFI) at *Università della Svizzera
italiana* (USI), Lugano, Switzerland.
Dates: *from* *June 9 to June 13, 2023*.
Deadline for applications: *February 15, 2023*.
Participants: the Summer School is open to both graduate students and early
career researchers.
For any queries, do not hesitate to contact the organizers at
reality.summerschool(a)usi.ch
Moin Ingo,
so sehr wir in Fragen gesellschaftspolitischer Themen auseinander driften, so erstaunlich die bisweilen aufscheinende Kongruenz in der Sicht auf naturwissenschaftliche Zusammenhänge; wenngleich diese Sichten aus definitiv unterschiedlicher Perspektive darauf gerichtet sind. Während ich immer auch von der metaphysischen (wenn nicht sogar religiös geprägten) Sichtweise her Naturwissenschaft reflektiere, fehlt Dir dieser Zugang total. Wo ist das Problem dabei? Es sollte keines geben, denn letztlich kommt es auf das Zielbild an und dieses ist m.E. aus mehreren Sichtwinkeln auszumachen.
it: „Ja eben, warum dann so häufig die qualitativ beschränkte Sicht auf die Welten ohne Verweis auf nachvollziehbare Homologien? Dem philosophischen Streben nach dem kritisch-reflektierten Zusammendenken mehrerer ernst zu nehmender Theorien scheint mir nach den Forschenden aus der Physik (… de Broglie, Madelung, Wheeler/Feynman, Bohm, Bell, Nelson, Cramer, H.P. und D. Dürr, Kastner, Barad) neben Lorenzen natürlich gleichsam als Gegenpol auch Gabriel geeignet mit seinen „Sinnfeldern“. Sein Buch „Sinn und Existenz“ von 2016 habe ich bisher aber nur überflogen.“
Wenn Du hier Markus Gabriel und seine „Sinnfelder“ ins Spiel bringst, führt das geradewegs zurück auf meinen hier schon oft beschriebenen Bezug auf Informationsfelder.
Information, dieser Begriff hat Dich – soweit von mir hier beschrieben – stets irritiert und zu deutlicher Ablehnung provoziert. Wir sprechen hier aber nicht von Information als kommunikationstechnisches Verfahren im Shannon'schen Sinne, sondern als Träger von Bedeutungsinhalt. Im Kontext von Philosophie etwa Bedeutungsinhalt einer Aussage und wenn etwas Bedeutung hat, dann hat es einen Sinn, der einen spezifisch semantischen Bezug aufweist. Natürlich ist Information in diesem Zusammenhang nicht der Bedeutung vorgängig, sie ist schlicht nur Träger. Was anderes als ein Informationsträger könnte die de Broglie Welle sein, die als Führungswelle den Verlauf eines (Sinn-)Feldes bestimmt. Bevor man jedoch von Sinnfeldern spricht, resp. wie diese Felder Gegenständlichkeit zur Erscheinung bringen, ist die Frage zu klären, was denn einer Führungswelle Information sprich Bedeutungsinhalt aufprägt bzw. einprägt. Man denkt an Aristoteles „Stoff und Bedeutung“, hier schon unter der Begrifflichkeit von „Matter and Meaning“ (Barad) beschrieben.
Gabriel gekennzeichnet die Regeln, nach welchen Sinnfelder (als gegenständliche Erscheinungsform) definiert werden, als Sinn und setzt sich damit von der herkömmlichen Beschreibung von Gegenstandsbereichen ab. Das erscheint mir als durchaus sinnvoller Denkansatz, denn er löst sich damit von einer vagen Sinnzuschreibung in metaphysischen Kategorien ab. Das entspricht einer durch und durch realistischen Ontologie zu der man in dieser Terminologie einen lebenspraktischen Bezug ohne (diesbezüglich unnötige metaphysische Mutmassungen) herstellen kann.
Natürlich wird dabei die eigentliche Intention Gabriels deutlich, indem er sich mit dieser positivistischen Ontologie von einer monistisch geprägten Metaphysik absetzen will. Das steht im Gegensatz zu C.F.v. Weizsäckers Bild vom Einen als einem quasi totalitären Welt- resp. Gottesbild. Ich denke, dass sich dieser Gegensatz bei tieferem Nachdenken über diese Zusammenhänge auflöst. Warum sollte das „EINE“ kein Sinnfeld resp. Informationsfeld sein? Für Dich sogleich Provokation denke ich, wie eben für alle Atheisten, sobald etwas auch nur irgendwie nach Göttlichem aufscheint. Denkt man an Bonhoeffer und seinen Ausspruch: „Den Gott, den es gibt, den gibt es nicht“, so sollte klar werden, dass Menschen sich besser an das erste Gebot des Dekalogs halten sollten. Damit also schnell wieder hin zu Naturwissenschaft und weg von verkappter Ontotheologie (wie das Gabriel so nennt) und nichts anderes bedeutet, als eine Verbindung von Metaphysik mit einer Ontologie, in Art einer Bedeutungs- resp. Sinndefinition. Letzteres würde uns hier (wie es sich all die Jahre hier gezeigt hat) nicht weiterbringen, wohin auch?
Gabriels Standardthema „Warum es die Welt nicht gibt“ verneint die Annahme der Welt als ein Ganzes, da sie (an die Philosophie Kants angelehnt) schlichtweg kein Gegenstand der Erkenntnis, vielmehr nur ein möglicher Erfahrungsraum sei, quasi ein Sinnfeld möglicher Erfahrung darstellt.
Mein Verhältnis zu Gabriel ist von Anfang an gespalten, einerseits, weil er mir als ein „loose talking Youngster“ vorkam, andererseits er mir mit seinem Denkansatz von Sinnfeldern Hoffnung gab, ideologiebehaftete Weltsichten zu überkommen. Natürlich widerstrebt mir seine radikale Abwendung von jeglicher Mythologie, alleine schon deshalb, weil auch er – wie alle vor ihm - nicht im Stande sein wird, das Geheimnis eines Göttlichen, oder eben die Mythologie des EINEN zu begreifen und damit auch nicht diese Hintergründe zu beschreiben. Die plumpe Aussage seines positivistischen Realismus, wonach es kein die Welt Umfassendes, keinen Gott, kein Grundprinzip etc. gibt, ist für mich nichts anderes, als eine (natürlich) zulässige These, nicht mehr – nicht weniger. Hossenfelder hat hierzu eine klare Aussage, die in etwa der des Waldemar entspricht: Es kann Gott geben oder eben auch nicht – Punkt! Ersterer hat den konjunktiven, letztere den disjunktiven Ansatz.
So bleibt mein gespaltenes Verhältnis zu seiner „Sinnfeldontologie“, die als solches nicht mit einer an Modallogik aufsetzenden Metaphysik vereinbar ist. Metaphysik befasst sich für mich nach wie vor mit den Phänomenen hinter der Physik und entzieht sich eigentlich jedem sprachlichen Zugang. Im Kern kann man Metaphysik nur (an)denken und erspüren, damit allenfalls in Bildern und Lyrik darstellbar.
Die damit in Verbindung stehende Metaphysik möglicher Welten (Himmel und Höllen, Nirvana, ewige Jagdgründe etc..) scheint der naturwissenschaftlich angelegten Theorie der vielen Welten (Everett) nahe zu stehen. Gabriel spricht diesbezüglich von unendlich vielen Sinnfeldern und ich denke, was anderes als eben derartige Sinnfelder sollten „viele Welten“ sein, die aber abstrakte und eben keine konkret existierenden Universen sind.
Das uns tragende, konkrete Universum, unsere Lebenswelt entspricht im Sinne des Aristoteles einer Welt, auf der wir uns aktual befinden und dieses im Umfeld von unzähligen davon kausal abgetrennten anderen (möglichen) Welten.
Trotz aller angenommenen Plausibilität derartiger Denkmodelle bleibt das Thema spekulativ und bietet Raum für beliebige Interpretationen; seien sie aus der Mikroebene der QM oder aus klassischen Denkmodellen her abgeleitet.
Interessant im Zusammenhang dieses Threads „Zufall und Notwendigkeit“ sind Gabriels Aussagen zum „Leitsinn“ des Sinnfeldes einer Gegenständlichkeit, bzw. deren Anordnungsregel. Der Leitsinn ist das Strukturprinzip als Verbindungsglied zwischen Gegenstand und Sinnfeld, in dem dieser erscheinen kann. Hier kommt Notwendigkeit und Kontingenz ins Spiel, wonach Eigenschaften als dem Sinnfeld innewohnende Relationen zwischen real existierenden Gegenständen zu sehen sind; Eigenschaften, die gemäß Notwendigkeit eben genau so oder - durch Kontingenz modal variiert - auch anders sein können. Für mich ist bei diesem Denkmodell die Vorstellung einer feldimmanenten Relation zwischen Gegenständlichkeiten das entscheidende Faktum und ist – trotz aller vehementen Absage Gabriels an Metaphysik – eben genau mit dieser (im weiteren Sinne) verknüpft bzw. durch diese ausgedrückt. Denn was anderes als der Begriff von Verschränkung könnte zur Erklärung benannter feldimmanenter Verbindung disparater Sinnfelder, in denen Gegenständlichkeit aufscheint, dienen? Wenn man (wie ich) Verschränkung jedoch als konkret quantenmechanisches Phänomen annimmt, entledigt man sich geflissentlich jeglicher Metaphysik.
Bester Gruß! - Karl
Grade haben wir hier in philweb eine Odyssee hinter uns gebracht, wo Gedanken, subjektive Denkmuster in allerlei „Worte-Wust“ verpackt, wie auch in nüchterner Darlegung dieses Forum fluten. Ich denke, allemal besser, als eine Mailing-List, die scheintot ihr virtuelles Dasein auf dem Server der ehrwürdigen Uni Wien (phil. Fakultät) fristen würde.
An dieser Stelle soll einmal mehr der herzlichste Dank an das EDV-Team dieser Fakultät dafür gerichtet sein, dass wir dort „gehostet“ und bestens technisch betreut werden!
Joseph meinte zuletzt, in philweb würde eine unerschütterliche Hochachtung vor der Wissenschaft zum Ausdruck gebracht werden und verweist auf einen diesbezüglich von ihm abgefassten Text auf seiner Website. Ich habe diesen soeben gelesen und wurde dabei mit Wehmut an Peter Jaenecke erinnert, dessen Aufsatz über Wissensbausteine Joseph per Link verfügbar macht.
In welchem Verhältnis steht Wissen zu Wissenschaft? Man kann sagen, dass Wissen erst durch Wissenschaft erzeugt wird. Ingo hat das in einem Beitrag zuletzt gut zusammengefasst: Es sind bisweilen Zufälle (eher im Sinne des Zufallens oder Zusammenfallens von Ideen oder bereits existenten Wissensbausteinen, wie Peter Jaenecke diese beschrieb).
Wo wäre die Menschheit heute ohne die Denker der Antike und Neuzeit, ohne empirisch Forschende, ohne Theoretiker der Physik und generell der Naturwissenschaften?
Um es mit Waldemar zu sagen: Menschliches Denken wäre noch zutiefst in animistische Vorstellungen verstrickt, praktisch ausgedrückt: Menschen würden noch an den Gott des Donners glauben und allen sonstigen Göttern ihren Tribut zollen; vergebliche Liebesmüh – damals wie heute.
„Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“, wie wahr erweist sich doch diese Volksweisheit. Sich selbst helfen heißt Wissenschaft betreiben, so also: ein Hoch auf die Wissenschaft!
Bester Gruß in die Runde! - Karl
wh: „das oben von dir verfasste ist vielleicht eine art jetzt-großer wurf für dein momentanes eigenes denken u weltbild, für mich indes ist es "kauder-deutsch" (abgesetzt von kauder-welsch), mit dem du dich gehörig ver-renst, ich mache das nichtmal an den einzelnen inhalten fest, sondern an dem worte-wust, den du hier auffahren musst, um die inhalte darzustellen
(sprache kann verräterisch sein + suche immer die sicherheit der einfachheit = etwas, das sich nur umständlich/schwer/ungenügend/"exotisch"/ formulieren lässt, taugt meist auch nichts)“
Nun möchte ich nochmal genauer auf diese Deine Einlassung eingehen, Waldemar – und Vorsicht! Es wird länglich und wortreich (wie nicht selten auch bei Dir, oder?).
Du musst das hier also nicht lesen, sondern kannst Dich zur Abwechslung dem science-blog zuwenden und Dich dort mit den üblichen Protagonosten im Getümmel der Wort- und Satzfetzen messen.
Die Wahl des Threads „Zufall und Notwendigkeit“ schien mir angebracht, weil sich zuletzt einige Beiträge explizit auf den Begriff Zufall ausgerichtet haben. Objektiver Zufall oder dessen übliche Interpretation als unerwartete Koinzidenz zweier/mehrerer Ereignisse wurde thematisiert. Parallel dazu kam mit Ingos Hinweis auf Ruth E. Kastner ein Thema auf, das mich von der Intra-Action These K. Barads in Verbindung mit Verschränkung, Nichtlokalität weg- und zur TI (Transaction Interpretation of QM) Theorie hinführte.
Mag sein, dass ich von letzterer schon irgendwann gehört oder gelesen, jedoch keinen Fokus darauf gelegt habe. Jedenfalls hat mir die Beschäftigung damit - nach Ingos Hinweis - gezeigt, dass Kastner und ihr Mitautor Andreas Schlatter eine Sichtweise auf die Interaktion zwischen Mikro- und Makrowelt entwickelt haben, die ziemlich genau das auszudrücken vermag, was meiner Vorstellung von Verbindung zwischen Geist und Materie (um es so auszudrücken) entspricht. Und diese lehnt sich an Aristoteles' „Actus et Potentia“ an; Transaktion, als eben der Entwicklung von Aktualität (Realität) in der Sphäre von Potenzialität („wirkliche Wirklichkeit“). Diese Sicht entspricht philosophisch gesehen dem Begriff von Entelechie, als einer den Dingen innewohnenden Zielgerichtetheit, dem Telos.
Man muss nicht bis Aristoteles zurückgehen, um das Prinzip von „Potenz und Akt“ zu begreifen. Leibniz sprach von dieser Zielgerichtetheit (Entelecheia) als eine „lebendige Kraft“ (vis vida), einem den Dingen innewohnenden „Bewegungspotential, wofür man heute den Begriff von „Energie“ hat. Leibniz erkannte, dass im Ggs. zum Aristotelischen Ansatz, der jedem Ding seine eigene Motivation zu spezifischer Bewegung resp. Veränderung zuschrieb, die den Dingen innewohnende Bewegungskraft sich anderen, auch verschiedenen Dingen mitteilen kann. Es kommt zu einer Art Übertragung unter Erhalt der dafür aufgebrachten Energie (Energieerhaltungssatz). Somit prägte Leibniz eine moderne Ausdeutung von Entelechie, die m.E. von Witheheads Begriff der Potentialität gestützt wird, indem er dieses philosophische Prinzip in eine „Prozess-Philosophie“ überführte und damit die Grundlage für ein grundlegendes Verständnis lebensweltlicher Existenz geschaffen hat.
Und hier kommen wir zu des Pudels Kern:
Während ich zutiefst von diesem Telos hinter allem Weltgeschehen überzeugt bin, kannst (und daher willst) Du dieser Sichtweise einer Zielgerichtetheit allen Weltgeschehens deshalb nichts abgewinnen, weil Du in Deiner nahezu hermetischen Abgeschlossenheit im Sinne von Selbstreferenz und Autopoiesis blind sein musst resp. sein willst, gegenüber einem Hinausdenken aus Deinem eigenen in das eigentlich unfassbare Universum, in das Unbekannte, das Numinöse.
Dieses Hinausdenken steht einem blinden Glauben an religiöse Dogmen, sowie beliebigen anthropomorph fixierten Deutungen und ideologisierten Weltbildern entgegen; darüber hinausdenken sollte sich keinesfalls daran festmachen (mit Ausnahme der von mir erwähnten „Brücken“ zwischen antiker oder mittelalterlicher Metaphorik und zeitgemäßer Erkenntnis).
Zeitgemäße Erkenntnis muss natürlich nicht nur hochwissenschaftlich gewonnen sein. Was Potentialität anbelangt, drückt diese sich doch auch im Alltagsverständis aus: Man „sieht“ etwas kommen, ohne dass man es konkret sieht; man ahnt Wirklichkeit ohne sie bereits konkret als ausgeformte Realität vor Augen zu haben. Ruth Kastner beschreibt diese noch nicht eingetretene Wirklichkeit als den nicht sichtbaren Löwenanteil eines Eisbergs unter Wasser, die eingetretene Wirklichkeit hingegen als Realität, die sich als Spitze dessen über dem Wasser zeigt („Top of the Eisberg“).
Einen realistischen Blick auf aktuale Realität, wie auch einen „Blick unter das Wasser“ gewährt Ruth Kastners Denkmodell:
Die primäre (also von Menschen erkannte) Realität ist eine Kette von Emissions- und Absorptionsereignissen (prozessuale Ereignisse – causal sets - in der Raumzeit). Die unzweifelhaft wahrgenommene Intuition von Raum und Zeit schreibt man einer physisch erfahrenen Wirklichkeit zu und assoziiert diese lebenspraktisch mit den Newton'schen Parametern. Damit lässt sich gut leben und die äußere Welt gestalten. Die innere Welt sieht hingegen anders aus; dort findet ein Austausch von Photonen statt, der diese Ereignisse lokalisiert, in dem sich Emissionen und Absorptionen (per „Protokoll“) verbinden und damit ein sog. „spacetime null-intervall“ bilden.
Nebenbei gesagt: Wenn der Zufall einer Emission nicht die korrespondierende Absorption notwendig werden lässt, kommt keine abgeschlossene Transaktion zustande.
Die Gesamtmenge aller möglichen Ereignisse (causal sets) bilden mit ihrer metrischen Struktur und Distanz voneinander eine punktförmige vierdimensionale Mannigfaltigkeit aus. Daher schrieb ich hierzu bereits: Die Raumzeit wird so zu einer zusammenhängenden Menge von Emissions- und Absorptionspunkten, zwischen denen Raumzeit-Intervalle durch einen sog. „Vierer-Impuls“ der Ereignisstrahlung erzeugt werden. Aus dieser idealisierten, kontinuierlichen aber in sich statischen Mannigfaltigkeit (als ein Modell möglicher Ereignisse) aktualisiert sich durch Transaktionen stufenweise eine „Galaxie“ aus/von Ereignissen.
Diese Zusammenhänge werden in den Arbeiten von Kastner/Schlatter natürlich konsequent mathematisch dargestellt, was entsprechende Kenntnisse voraussetzt, wollte man somit deren Theorie auf diese Weise begreifen. (s. Website der Autoren).
Ein anderer Weg ist zu versuchen, dieses Denkmodell in eigene Denkbilder aufzunehmen und diese entsprechend abzugleichen. Für mich waren Schriftgut und „Lectures“ von Sorkin/Dawker zur „Causal Set Theorie“ sowie von Gerald t'Hoft, Erik Verlinde und Susskind Grundlage, um mich vor allem wegen des holographischen Prinzips, tiefer in Kastners Theorie (TI) einzuarbeiten, ein für meine Begriffe elementares Denkmodell, das sie inzwischen durch „RTI“ neu interpretiert hat.
Hinausdenken aus der eigenen Begrenztheit in das eigentlich unfassbare Universum, in das Unbekannte, das Numinöse. Nicht anderes als dieses Hinausdenken habe ich bei Ruth E. Kastners „Transactual Interpretation“ (of Quantum Mechanics) entdeckt. Trotz aller wissenschaftlichen Kompetenz und Klarheit ihres erklärenden Ausdrucks erhebt sie keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit ihres Denkmodells. Doch genau gesehen, könnte dieses Modell Grundlage für die gesuchte Verbindung von Relatitiviätstheorie (ART) und Quantenmechanik werden.
Man muss wirklich genau hinsehen, um die Qualität, den Wert dieser Theorie zu erkennen und was ich hier davon wiedergegeben habe, ist nur ein winziger Abriss dieses Denkmodells, obendrein in der Hoffnung, dieses auch wirklich hinreichend verstanden zu haben.
Für Dich mag das Geschriebene wiederum „kauder-deutsch“ sein, andere wird es gar nicht interessieren und ignorieren diesen Beitrag schlichtweg. Einige könnte es geben, die damit etwas anzufangen wissen und so sei es nicht in den Wind geschrieben. Damit komme ich (im übertragenen Sinne) nochmal auf Kastners „Emitter – Absorber - Prinzip“ zurück: Ich sende den Beitrag quasi als probabilistische „Offer-Wave“ (OW) an potentielle Absorber in einem Zustandsraum von 70 philweb-Teilnehmenden. Von diesen möglichen Absorbern (die potentiell reagieren können) kommen üblicherweise nur sehr wenige „Bestätigungswellen“ (CW) zu mir zurück, woraus ich schließen muss, dass auch dieser Beitrag, modulo der wenigen mit „CW“ bestätigten Transaktionen, größtenteils lediglich einer potentiellen Angebotswelle entspricht und somit keine wirkliche Transaktion mit allen möglichen Teilnehmenden stattgefunden hat.
Eines kann ich Dir, Waldemar, jedoch versichern: An dieser Theorie von Ruth E. Kastner, die ja i.W. auf der Absorbertheorie von Wheeler/Feynman (bezogen auf Zeitsymmetrie) sowie auf Cramer aufsetzt, werde ich mich nicht „ver-rennen“. Wie kommst Du eigentlich dazu, solches anzunehmen?
Ingos Hinweis und meine Beschäftigung mit dieser Theorie ist nichts anderes, als meiner Leidenschaft zu frönen, möglichst oft einen Blick hinter den Schleier der Natur (Goethe) zu erhaschen. Ein Blick allein schon reicht, um zu erkennen, dass das „Gesehene“ eben nicht mit der „Sicherheit von Einfachheit“ wiederzugeben ist.
Das haben eben genau nur jene vermocht, die Du stets angreifst: Menschen, die mit der Kunst der literarischen und bildlichen Verdichtung das auszudrücken vermögen, was wir schon immer als absolutes Wissen in uns tragen: Diese tatsächliche „wirkliche Wirklichkeit“, wie sie sich (nach Kastners Worten) als unter dem Wasser befindlicher Eisberg dem rational menschlichen Erkennen verbirgt.
Und es war ausgerechnet Goethe, der sich trotz seines dichterischen Talents dessen bewusst war, sich am Ende eines länglichen Briefes entschuldigte: Verzeih mir die Länge, zur Kürze fehlte mir die Zeit (sinngemäß).
Ach so – noch zur Einfachheit: Wer diesen Beitrag als zu abstrakt, zu theoretisch einfach zu kompliziert abgefasst wertet, schiebt diese Mail (als Worte-Wust) einfach in den Trash. So einfach ist das, oder etwa nicht? Doch selbst wenn nur eine Person hier in philweb Interesse an diesem Thema hat, könnte dieser Beitrag eben nicht in den Wind geschrieben sein.
Bester Gruß! - Karl
PS: Warum überhaupt Lernen, erkennen wollen? Warum hinter die sichtbaren Gegebenheiten blicken wollen? Womöglich waren es die Chinesen schon vor Jahrtausenden, die darauf eine Antwort hatten:
„Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück.“
wh: „na, dann ist ja -gottseidank- alles diesbezügliche geklärt, ich schlage deshalb das neuschreiben der bibel vor, mit dem alten begriff "gott" ersetzt durch den letzten satz oben: "die maßgebliche (metrische) struktur von raumzeit ...usw …"
* wie allerdings die hier leibhaftig vor mir sitzende stubenfliege (edition "spätherbst" = kleiner als im sommer = energiesparend) mit "alles beginnt mit einem zufall" zusammenpasst, muss dann wohl mit "ein wunder" in die obige "potentialiät" außerhalb des "quantenfelds" hineingepackt werden.“
** und ich frage mich weiter, was eigentlich so schwer daran zu verstehen sein soll, dass sich auf der grundlage einer völlig stochastisch ablaufenden weltgrundstruktur ganz automatisch und von allein ua. auch ursache-wirkung ketten, "loipen", ausbilden, die uns so sehr faszinieren, dass wir sie teils sogar zu "ehernen naturgesetzen" erheben (es passiert ja tatsächlich nie, dass ein apfel vom baum nach oben fällt statt baumabwärts nach unten, aber nur deshalb, weil der apfel vorher bereits in einer loipenschar, im ua. "ordnungsfeld" gravitation steckt, ohne solche ordnungsfelder, die ihn einschränken, hätte der apfel sogar die "potenz", vor unseren augen live zu verschwinden, oder zb junger+alter apfel gleichzeitig zu sein, usw) wh.
**
kj:Bemerkung: Habe Deinen Beitrag hier reingenommen, da wir einen kurzfristigen Ausfall des Listservers hatten.
**
Warum, Waldemar, willst ausgerechnet Du die Bibel neu schreiben? Zumal dieses Unterfangen auf meine Aussage bezogen unnötig ist, denn wer genau dort lesen und verstehen kann, wird feststellen, dass alle wesentlichen Aussagen zum Weltgeschehen in erstaunlicher Metaphorik beschrieben sind: und da geht es eben nicht um Gott an sich, sondern um die Beschreibung des Anfangs der Welt, wie sie sich in der Schöpfungserzählung der Hebräischen Bibel findet:
< Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte auf dem Wasser und er sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war und schied es von der Finsternis.> (nach Gen 1,1ff)
Um diese metaphorische Darstellung der Genesis zu deuten, muss man nicht einem naiven Bibelglauben verfallen sein und diese damit wortwörtlich annehmen, sondern könnte mit entsprechender natur- und geisteswissenschaftlicher Bildung eine Brücke zwischen dieser Erzählung und heute verfügbaren Theorien zur Weltentstehung bauen. Solchermaßen entmystifziert könnte die Differenz von Licht und Finsternis (im Sinne von Emissions- und Absorptionsfeldern) als Transaktion von Potenzialität (Emission) in Aktualität (Absorption) angenommen werden. Das kann als verwegene Deutung gelten, doch wen sollte sie stören, solange man diese nicht als Dogma des NewAge postuliert.
Mein letzter Beitrag, der sich auf den Diskurs zwischen Joseph und Ingo bzgl. Zufall bezog, hat sich dann in dieser Begrifflichkeit auf die beiden Sichtweisen eine durch Zufall angelegte (indeterminierte) bzw, streng kausale(determinierte) Lebenswelt ausgerichtet.
Mit hinreichender Kenntnis der heute diesbezüglich verfügbaren Theorien kann man davon ausgehen, dass die Versteifung entweder auf ein streng determiniertes oder nur durch Zufall ablaufendes Weltgeschehen nicht mehr haltbar ist.
Damit rückt die antike Vorstellung, alles Existierende sei die „Frucht von Zufall und Notwendigkeit“ in den Fokus einer zeitgemäßen Definition, die sich zudem mit Darwins evolutionärem Prinzip von Mutation und Selektion fortschreibt. Ob dieses Prinzip aus antiker, biologischer (Monod) oder philosophischer Sicht (u.a. Hegel aber nicht zuletzt auch von F. Engels) erkannt bzw. angenommen wird, verliert - unbeschadet dessen zuzeiten ideologischer Vereinnahmung - nichts an Gültigkeit:
„Erst von dieser universellen Wechselwirkung kommen wir zum wirklichen Kausalitätsverhältnis. Um die einzelnen Erscheinungen zu verstehn, müssen wir sie aus dem allgemeinen Zusammenhang reißen, sie isoliert betrachten, und da erscheinen die wechselnden Bewegungen, die eine als Ursache, die andre als Wirkung. Wer Kausalität leugnet, dem ist jedes Naturgesetz eine Hypothese.“ (F. Engels, aus Dialektik der Natur).
Ich schrieb, dass alles Geschehen mit einem Zufall beginnt und sich mit kausaler Gesetzmäßigkeit als raumzeitliches Kontinuum ausbildet. Das ist insoweit unpräzise ausgedrückt, als man nach heutiger Kenntnis eher nicht von einem Kontinuum (quasi als Raumquader entlang der Zeitachse) sprechen sollte, in das sich Zeitpfeile als Weltlinien ausdehnen, sondern von einem „Ereignisraum“, also eine Art „empirische Raumzeit“. Dieser Begriff wurde von Ruth E. Kastner und Andreas Schlatter aufgebracht und schließt auf zu deren Arbeiten zur „Transactional Interpretation“ (TI) bzw. der Relativistic Transactional Interpretation (RTI).
Dieses Denkmodell hat einen Bezug zur „Causal-Set-Theorie“ (Sorkin, Dawker et.al.), über die ich hier schon geschrieben habe. Die Abfolge von „Events“ (Ereignisse wie Perlen auf einer Kette) bilden die raumzeitlich individuellen Weltlinien als Kausalketten , die sich kreuzen können.
Kastner/Schlatter beschreiben diese Ereignisse als Transaktion, die als stochastischer Possion-Prozess konstituierend für die sog. empirische Raumzeit zu sehen ist. Die Raumzeit wird so zu einer zusammenhängenden Menge von Emissions- und Absorptionspunkten, zwischen denen Raumzeit-Intervalle durch einen sog. „Vierer-Impuls“ der Ereignisstrahlung erzeugt werden.
Reichlich abstrakt, diese Theorie. Doch von herausragender Brillanz in ihrer Darlegung und als solche prinzipiell verständlich. So komme ich, dank des Hinweises von Ingo, zu einem Denkmodell, dass mir (wie von ihm vermutet) definitiv näher steht, als jenes der „Intra-Action“ Barads.
Nur weiter so, philweb, möchte ich sagen.
Bester Gruß! - Karl
Am 09.11.2022 um 05:30 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb: Noch was zum Zufall. Es muss stutzig gemacht haben, dass ich Zufall scheinbar auf eine "zufällige Zahl" reduzierte. Wenn das ein Fehler war, möchte ich gerne wissen, was es denn mehr dazu zu sagen gibt. Was ist dann zusätzlich zur Zahl, wenn das Wortpaar "Echter Zufall" gesagt wird? Ist es das, was die Zufallszahl bewirkt? Es fällt mir schwer, das zu finden, was die Zufallszahl bewirkt, denn wie kann rückwirkend etwas Kausales gesucht werden, das etwas Zufälliges bewirkt? Deswegen bleibe ich bei der zufälligen Zahl stehen, und suche nicht weiter. Hierhin gehört auch das Wort Epochäe. Wenn viele zufällige Sachen wiederum Kausalität zum Vorschein bringen, ist das eine ganz andere Sache. Hier kannst du das Wort Stochastik verwenden. Diese Sache wurde nicht thematisiert.
IT: "Hi JH, ich hatte schon beantwortet, was echter Zufall ist (Unabhängigkeit) und auch den Kontext genannt, in dem er u.a. wichtig ist: Simulation. Ansonsten passt zu „alles ist Zufall“ die Gegenthese D. Dürrs: „Es gibt keinen Zufall.“ Damit leitet er seine „Einführung in die Stochastik“ ein. Also bleibt wieder nur eine Synthese zwischen den beiden Extrempositionen, bspw.: „An allem ist Zufall beteiligt“ oder „alles fluktuiert“ oder „stets fällt uns irgendetwas zu“. Zu dem Namen assoziiere ich natürlich sogleich wieder die These H.P. Dürrs: „Es gibt keine Materie.“ Im Anschluss an die Dialoge Galileis könnten die beiden Herren zu einem fiktiven Gespräch eingeladen werden. Aber wer wäre der Dritte im Bunde? Natürlich Dürrenmatt." IT
Allgemein als Zufall wird ein Ereignis angenommen, das ohne erkennbaren Grund eintritt. Damit ist jedoch noch nicht festgestellt, ob die Verursachung auf einen objektiven (sog. echten) Zufall oder auf bloße Koinzidenz von Einzelereignissen zurückzuführen ist, die ihrerseits wiederum die Frage nach echtem oder „unechten“ Zufall aufwirft. Letzterer spielt m.E. für eine genuin philosophische bzw. metaphysische Betrachtung keine entscheidende Rolle, denn nahezu alle eindeutig kausalen Ereignisse dieser Lebenswelt sind mit dem heute verfügbaren naturwissenschaftlichen Kenntnisstand hinreichend erklärt bzw. aufklärbar. Das spricht für die Annahme eines ausschließlich determinierten Ablaufes des Weltgeschehens, was jedoch nicht zutreffend ist, denn tatsächlich gilt: „an allem ist Zufall beteiligt“; und dabei geht es um „echten“ Zufall, nämlich die Unbestimmtheit der dieser Lebenswelt zugrundeliegenden QM, wo sich objektiver Zufall jeweils an der Einzelheit ereignet, also z.B, am spontanen Zerfall eines Atomkerns oder als Strahlungstransit eines angeregten Atoms bzw. Moleküls in den Grundzustand.
Zufall und Notwendigkeit: Derartige Zufallsprozesse bedingen das Entstehen neuer Elementarteilchen und damit die Bildung neuer Kausalketten (causal sets), die sich als Weltlinien prozessual in der Raumzeit ausdehnen. Diese neuen Zeitpfeile entwickeln sich aus spontanen Symmetriebrüchen, also mit echt zufälligen Randbedingungen aus einer hochsymmetrischen Potentialität. Hier trifft Naturwissenschaft auf Philosophie: „Actus et Potentia“.
Schnell wird es wieder lebenspraktisch, wie Italo Calvino es beschreibt: „Du wünscht dir, ein abstraktes und absolutes Raum-Zeit-Kontinuum täte sich auf, in welchem du dich auf einer präzisen, vorgezeichneten Bahn bewegen könntest.“
Und auch Goethe drückt seine Präferenz oder seine Überzeugung von einem determinierten Weltgeschehen in verdichteter Form aus:
Das erst' war so, das zweite so
Und drum das dritt' und vierte so;
Und wenn das erst' und zweit nicht wär',
Das dritt' und viert' wär' nimmermehr .
Zusammenfassend sollte deutlich werden, dass weder nur von einem determinierten, noch von einem ausschließlich indeterminierten Weltgeschehen, sondern von beidem auszugehen ist: Alles beginnt mit einem Zufall und bildet sich mit kausaler Gesetzmäßigkeit als raum-zeitliches Kontinuum aus.
Die übliche Vorstellung von Raumzeit als ein Container, also einen über die Zeit aufgespannten Raum-Quader trügt bezogen auf die tatsächliche Beschaffenheit der raumzeitlichen Lebenswelt.
Die maßgebliche (metrische) Struktur von Raumzeit ist die Gravitation, jedoch nicht als ein Quantenfeld, sondern als prozessuale Struktur, als Potentialität zu denken, aus der die Raumzeit hervorgeht.
Bester Gruß in die Runde! - Karl
Erfreulich reges Treiben hier: „Gehirn im Tank“, Zufall, Vernunft – Begriffe, die jeweils für sich ergiebigste „Threads“ hier im Forum sein könnten; dabei haben wir alle schon ausgiebig behandelt; dennoch bin ich mir sicher, dass nicht nur ich immer wieder neue bzw. andere mit diesen Themen verknüpfte Aspekte aufscheinen sehe, sobald sich explizit das Augenmerk darauf richtet.
Was ist Zufall, was Vernunft? Die Fragen erneut zu stellen, obgleich sie im „Tank“ universell gespeicherten Wissens „Wikipedia“ (als eine Art moderner „Akasha-Chronik“) umfassend d.h. aus verschiedensten Blickwinkeln beantwortet resp. allgemeingültig erklärt sind, wirft die grundsätzliche Frage auf, warum diese Begriffsdefinitionen nicht ein für allemal in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt und daher nicht immer wieder auf‘s Neue zu hinterfragen sind.
Womöglich verhält es sich dabei wie Augustinus‘ Frage nach der Zeit, wonach er sicher zu wissen glaubt, was diese sei und dennoch nicht spontan zu beantworten weiß, wenn er danach gefragt wird.
Zeit ist alles andere als ein eineindeutig eng umschrieben definierbarer Begriff und so verhält es sich auch mit dem Zufall und auch mit Vernunft.
Zufall als ein von Gott nicht erlaubtes und daher nicht existentes „x“, hatte Joseph kürzlich hier in die Diskussion eingebracht und damit offenbar auf Einsteins „Gott würfelt nicht“ abgehoben, zugleich als strittige Frage in den Raum gestellt, ob es überhaupt „echten Zufall“ geben könnte.
Nun kann man, wie Ingo, den Nachweis eines echten Zufall mit einem „algorithmischen Zufallsgenerator“ in Verbindung bringen, was bisher jedoch (wie er anführt) gescheitert ist und Ingo die Begründung gleich selbst formuliert: Echter Zufall kann nicht simuliert werden, ihn liefert nur der „ideale Würfel“. Ich möchte behaupten, dass es auch den idealen Würfel nicht wirklich, sondern diesen lediglich angenähert, eben als rechnergestützte Simulation gibt.
Die Herstellung eines realen „idealen Würfels“ scheitert an den Fertigungstoleranzen (selbst wenn diese mit heutiger Feinwerktechnik mindestens im Nanobereich liegt). Selbst allerkleinste Maßabweichungen zwischen den Würfelseiten würden ein wirklich zufälliges Würfelergebnis unmöglich machen. So bleibt nur die Annäherung, die jedoch dem hinreichend pragmatischen Anspruch zur Erzeugung von Zufallszahlen entspricht, nur eben kein echter Zufall sein kann.
Ein programmtechnisch erzeugter und im Rechner ablaufender idealer Würfel simuliert den n-maligen Wurf eines Würfels, woraus sich die absoluten Häufigkeiten der jeweils erzielten Augenzahlen ergeben. Diese Häufigkeitswerte werden jeweils durch die Wurfzahl n dividiert, wodurch sich die mit dem Zufallsexperiment erzeugten relativen Häufigkeiten ergeben. Je größer n wird, desto mehr stabilisieren sich die relativen Häufigkeiten nach dem Gesetz der großen Zahlen. Damit lässt sich bei extrem hoher Wurfzahl die relative Häufigkeit einer bestimmten Augenzahl (unabhängig von dieser) etwa gleich 1/6 und somit eine nahezu perfekte Annäherung an einen idealen Würfel simulieren, der dennoch keinen echten Zufall erzeugen kann.
Bei allem bislang hier zum Zufall Geschriebenen fragt sich, warum überhaupt nach echtem und scheinbaren Zufall unterschieden werden soll, wenn doch lebenspraktisch und auf technologische Relevanz bezogen, hinreichende Werkzeuge zur Erzeugung von Zufallszahlen verfügbar sind. Selbst das alltägliche, scheinbare Empfinden von Zufall, nämlich ein unerwartetes, individuell oder kollektiv erfahrenes, koinzidentes Zufallen eines Geschehens bringt keine Probleme mit sich, sofern man sich nicht an der Unwissenheit bezogen auf dessen konstituierenden kausalen Ablauf von Einzelheiten stört. Einzelheiten, die aufgrund ihres komplexen Beziehungsgeflechts nicht gewusst sein können, da man eben nicht die Allwissenheit des Laplaceschen Dämon hat.
Zufall, zunächst unbenommen der Unterscheidung zwischen echtem Zufall und sogenannten Pseudozufall, spielt im Gesellschaftsleben eine durchaus entscheidende Rolle. Sei es trivialerweise bei der Ziehung von Lottozahlen oder in der Gerichtsbarkeit, wo etwa bei der Schuld- bzw. Schadensfeststellung nach Vorsatz bzw. Lässlichkeit als Ereignisursache und einem zufällig – im Sinne von unvorhersehbar - eingetretenen Ereignis unterschieden wird.
Naturwissenschaftlich, gleichermaßen wie in der Philosophie ist die Frage nach wie vor unbeantwortet, ob diese Lebenswelt im Innersten kausal eindeutig vorherbestimmt oder zufällig strukturiert ist. In der Physik wird zwischen eindeutig als determiniert erkannten und zufälligen Prozessen unterschieden. Dabei spielt die Gesetzmäßigkeit der Wahrscheinlichkeitstheorie eine wesentliche Rolle, wonach z.B. gemäß der Theorie Boltzmanns die Bewegungsenergie einzelner Moleküle immer vom weniger wahrscheinlichen Verteilungszustand in einen wahrscheinlicheren übergeht: Das Wahrscheinliche geschieht am Wahrscheinlichsten. Das Warme fließt in‘s Kalte, also vom Zustand hoher innerer Energie zu einem Bereich mit niedriger Energie. Diese Wahrscheinlichkeit ist demnach keine vage Möglichkeit, sondern eindeutig physikalische Determination.
Bei den hier betrachteten Molekülen handelt es sich um die Akkumulation mehratomiger Teilchen als Quantensysteme der Mikroebene. Echter Zufall vollzieht sich jedoch immer nur an der Einzelheit, also den Teilchen, deren Einzelereignis sich grundsätzlich einer konkreten Beschreibbarkeit entziehen. Das gilt auch für die de Broglie-Bohmsche Führungsgleichung, denn selbst, wenn man eine kausale Bahn für einzelne Teilchen mathematisch konstruieren kann, ist aus dieser keine vollständige Beschreibung abzuleiten, da die Anfangsbedingung nicht erfassbar und damit nicht messbar ist.
Wirklicher Zufall vollzieht sich als anerkannte Realität der QM ausschließlich an einer Einzelheit; doch schon an einem Ensemble (eine Gruppe, als System von Elementarteilchen im Orts- oder im Impulsraum gesehen) zeigt sich ein vorhersagbares (auf Wahrscheinlichkeitstheorie bauendes) Resultat. Unter Beachtung der Gesetzmäßigkeit des sog. Quanten-Darwinismus ergibt sich quantenmechanisch die gleiche deterministische Struktur der physischen Lebenswelt wie sie in der klassischen Physik gilt. Es ist der durch spezifische Umweltfaktoren der Lebenswelt jeweils ausgelöste Zusammenbruch von Superpostion (Kohärenz), der in permanenter Wechselwirkung zwischen Mikro- und Makrowelt die Dekohärenz als Manifestierung des betreffenden Quantensystems bewirkt.
Wechselwirkung entspricht dem sog. Messprozess der QM, bzw. bewirkt diesen. Es bedarf also nicht der Beobachtung eines Lebewesens, um Dekohärenz auszulösen und damit rechtfertigt sich Einsteins Frage, ob denn der Mond nicht existierte, wenn kein Mensch ihn beobachten würde.
Das Verhältnis von Einzelheit zur Gesamtheit ist durch das Zusammenwirken von Zufall und Notwendigkeit bestimmt. Ein durch Interaktion mit seiner Umgebung zerfallendes Quantensystem (Dekohärenz) fällt in eine bevorzugte (eben als die wahrscheinlichste) Basis einer klassisch physischen Realität (Umwelt) mit vorhersagbaren Zuständen.
Insoweit der Quantendarwinismus den Transit jedes denkbaren Quantensystems mit seinem riesigen Potenzial an Variationen zu der im Verhältnis deutlich eingeschränkten Menge an Pointerzuständen als einen sogenannt einselektiven Prozess beschreibt, ergibt sich ein Problem an diesem Erklärungsmodell durch die dedizierte Aufteilung des universellen Quantenzustands als einerseits Quantensystem (Mikrowelt) und andererseits physische Umgebung (Makrowelt) mit verschiedenen Freiheitsgraden und damit gegenseitigen Phasenzufälligkeiten. Auf diesen Umstand wurde Zurek von R. Kastner hingewiesen. Den weiteren Verlauf dieser Disputation habe ich nicht verfolgt.
Mein Zugang zu dieser Thematik liegt nicht so sehr im Detail, sondern auf den wissenschaftlich nachgewiesenen Quantenwechselwirkungen, wobei ein jeweils betrachtetes Quantensystem sich durch Dekohärenz (Manifestierung des Quantensystems in eine bestimmte Basis von Eigenzuständen) mit seiner Umwelt interagiert und sich entsprechend an diese anpasst. Der envariante Ursprung (durch spezifische Umweltfaktoren beeinflusste Invarianz) der Bornschen Wahrscheinlichkeitsregel ändert die Beziehung zwischen Un/wissenheit (und damit Information!) und der eigentlichen Natur von Quantenzuständen.
In diesem Licht erscheint mir Barads Annahme der Intra-Action, als einer der Materialisierung vorgängigen Verschränkung zwischen Mikro- und Makrowelt, zwar ähnlich wie Zureks Theorie der envariance (von „entanglement-assisted invariance“, also der durch Quantenverschränkung gestützten Invarianz) als Basis der Materialisierung per Quantendarwinismus und damit in beiden Denk-Modellen eine plausible Erklärung, wie die klassisch physische Lebenswelt aus der Quantenwelt entsteht; die Konsequenz hinsichtlich der Frage, ob die Welt determiniert oder per Zufall strukturiert ist, bleibt in beiden Modellen vage verborgen. Daher neige ich eher zur de Broglie-Bohmschen Theorie, modulo der grundsätzlich gültigen Elemente der Denkmodelle von Barad und Zurek.
Das Thema wird uns noch weiterhin beschäftigen.
Mit bestem Gruß in die Runde! - Karl
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