Am 09.12.2023 um 22:59 schrieb Karl Janssen über PhilWeb:
Am 09.12.2023 um 01:50 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ich bemerke, dass ich am Thema vorbeigeschrieben habe. Die Frage war,
wie aus den immer gleichen oder ähnlichen Eingangsdaten, die die
Sinnesorgane ans Gehirn liefern, die Vielfalt des Erlebens mit
Farben, Klängen, Gerüchen entstehen kann und dass das dann wohl an
der Verarbeitung der Daten liegen muss, die die ganze Vielfalt erst
erzeugt, denn in den Daten ist sie nicht zu finden. Die Welt ist an
sich nicht farbig, das Gehirn malt sie nur bunt an.
In den Sinnesdaten und dem, was das Gehirn daraus macht, ist das
Erleben aber auch nicht zu finden und hier kann ich an das schon
Gesagte doch anknüpfen.
Alle sorgfältig geprüften Aussagen über empirische Zusammenhänge
zwischen Wahrnehmung und Hirnvorgängen sind natürlich nicht zu
bestreiten.
Ist eine Welt an sich jenseits jeden Erlebens nicht eine Erdichtung?
Die Unterscheidung zwischen irgendwie gestörter und richtiger
Wahrnehmung ist ein teils/teils, entweder/oder. Bei der zwischen
Erscheinung und Ding an sich wird alles, was uns begegnet, ungeprüft
der einen Kategorie zugerechnet und die andere bleibt, wie von
vornherein feststeht, leer. Wenn ich ausnahmslos allem das gleiche
Etikett aufklebe, was sagt es mir dann?
Ich denke nicht, dass Du am Thema vorbei geschrieben hast, Claus. Was
die Farbwahrnehmung anbelangt, sollte es – bei diesbezüglich intakter
Sinneswahrnehmung – keinen Unterschied zwischen gestörter und
richtiger Wahrnehmung geben.
Im Alltagsverständnis gehören die Begriffe "intakte Sinneswahrnehmung"
(als erwiesenermassen allgemeines Vermögen) und richtige Wahrnehmung
zusammen und stehen im Gegensatz zu gestörter Wahrnehmung. Die richtige
Wahrnehmung ist dabei nicht beobachterunabhängig, was ja auch ein
Widerspruch in sich wäre, kommt an ein (erdichtetes?) an sich nie heran,
sondern ist die des normalen Beobachters. Wenn alle Menschen farbenblind
wären, gälten andere Wahrnehmungen als richtig/normal.
Bei generell intakter Farbwahrnehmung kann eine im Einzelfall gestörte
auf äussere Umstände zurückzuführen sein, z.B. auf eine bunte Scheibe
vor den Augen.
Wenn Konstruktivisten davon ausgehen, dass jegliche
Wahrnehmung der
Lebenswelt auf gehirnlicher Konstruktion basiert, ist es doch
tatsächlich ein „teils/teils“.
Wenn ich zwischen schwarzen und weissen Kugeln unterscheide und in einem
Gefäss ausschliesslich schwarze vorfinde, steht das "teils/teils" nicht
in Widerspruch zu "jeglich". Dabei schliesse ich nicht von vornherein
aus, auch weisse zu finden, d.h. solche wie die, die mir als Beispiel
gezeigt wurde.
Kommt es nach konstruktivistischer Auffassung nur tatsächlich nicht vor,
dass eine Wahrnehmung nicht mit Gehirnvorgängen zusammenhängt oder wird
das von vornherein ausgeschlossen? Ersteres wäre eine
naturwissenschaftliche Erfahrungsaussage, der man keinen -ismus umhängen
muss.
Bezogen auf die Apperzeption von Farbe wird ihrer
jeweiligen
Wellenlänge entsprechend elektromagnetische Strahlung (im für Menschen
detektierbaren Sichtbereich) Lichtstrahlung ca. zwischen 400 nm
(violett) und 700 nm (rot) über die Augennetzhaut von spezifischen
Sinneszellen aufgenommen und entsprechend im Gehirn angelegten
Nervenzellen verarbeitet, was einen dedizierten Farbeindruck
vermittelt. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die meisten
Menschen über diese Sensorik die primärem Farben Blau, Gelb und Rot
(und zumeist alle Farbzwischentöne) erfassen und entsprechend zuordnen
können. Die dabei spezifisch persönliche Farbwahrnehmung (z.B. die
sog. Lieblingsfarbe) ist dann subjektiv empfundene Qualia.
Die wahrgenommenen Farbtöne werden also als Qualia bezeichnet. Gegen
diese Bezeichnung habe ich nichts einzuwenden. Auch nichts gegen
stichhaltige Aussagen über Zusammenhänge zwischen Vorgängen in den
Nerven und im Oberstübchen einerseits und Wahrnehmungen andererseits.
Insofern ist die Welt doch farbig, denn sie ist
erfüllt von
Lichtstrahlung verschiedenster Frequenzen, aus deren gesamtem
Strahlungsspektrum das menschliche Gehirn den oben benannten Bereich
von ca. 400-700 nm als Farbstrahlung neuronal detektieren und somit
wahrnehmen kann.
Ich messe keine Frequenzen, um festzustellen, ob das Gras grün ist,
möchte aber nicht bestreiten, dass dann gegebenenfalls Lichtstrahlen mit
bestimmter Frequenz auf meine Pupillen treffen. Andererseits kann ein
Farbenblinder zwar Frequenzen messen, hätte aber keine Ahnung von
Farben, wenn ihm nicht davon erzählt würde oder er feststellte, dass
andere eine ihm rätselhafte Unterscheidungsfähigkeit habe.
Die subjektive Farbempfindung - als Qualia gesehen –
ist selbstredend
unterschiedlich, unbenommen der allgemein gültigen Annahme, dass Rot
zu den sog. warmen und Blau zu den kalten Farben zählt.
Die meisten Menschen unterscheiden Farben auf die gleiche Weise. Ein
paar Ausnahmen gibt es und manche haben überhaupt keinen Sehsinn.
So kann man durchaus davon ausgehen, dass aus den vom
Gehirn/ZNS
aufgenommen und verarbeiteten „Sinnesdaten“ ein persönliches Erleben
entsteht und insofern ist dieses auch dort zu „verorten“. Und ja, das
ist gehirnliche Konstruktion und als solche einer wunderbaren, für uns
Menschen äußerst vorteilhaften evolutionären Entwicklung
zuzuschreiben, die das Erleben dieser Welt in all ihren prächtigen
Farben ermöglicht.
Es würde mich nicht wundern, wenn man bestimmte Farbempfindungen
hervorrufen könnte, wenn man im Gehirn bestimmte "Knöpfe drückt".
Daher glaube ich nicht, dass die „Welt an sich“
jenseits jeden
Erlebens eine Erdichtung ist, denn dieses Erleben fusst auf
Sinneswahrnehmungen von Gehirn/ZNS, die spezifisch auf unzählig
konkret in der Lebenswelt permanent emittierten Strahlungsfeldern
reagieren. Letzteres natürlich abhängig von spezifischer Ausprägung
entsprechender Wahrnehmungsorgane von myriaden Lebewesen.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
Nach diesem Verständnis sind die Strahlungsfelder die Welt an sich. Die
wurden aber auch beobachtet und gemessen, während die an-sich-Welt ja
eigentlich nicht nur im Auge eines Betrachters (mit blossem Auge oder
wie auch immer beschaffenen Instrumenten) da und so und so sein soll.
_______________________________________________
PhilWeb Mailingliste --philweb(a)lists.philo.at
Zur Abmeldung von dieser Mailingliste senden Sie eine Nachricht
anphilweb-leave(a)lists.philo.at